Empty Mile
gerade sechzehn geworden war, und Stan neun, fuhren unsere Eltern mit uns in die Sommerferien nach Santa Barbara. In einer warmen Nacht lagen Stan und ich in der Dunkelheit am Strand und sahen zum Himmel hinauf. Ich zeigte ihm die wenigen Sternbilder, die ich kannte, erklärte ihm, dass die Planeten nicht funkelten und man manchmal Satelliten vor dem Hintergrund des Sternenzelts vorüberziehen sehen könne. Stan dachte gedankenverloren über die Unendlichkeit nach und spekulierte, was da draußen sein könnte, und ich spürte sein Staunen und teilte es, wobei ich mich ihm so nahe fühlte, dass es in den wenigen Augenblicken fast schien, als wären wir eins geworden, als sähen wir mit denselben Augen und spürten gemeinsam die enorme Größe des Universums in uns …
»Ja, ich erinnere mich.«
»Ich wünschte, da könnten wir wieder sein.«
Stans Stimme wurde träge, nach einer Weile schlief er ein. Ich legte ihn auf das Bett und zog die Decke über ihn, obwohl die Sonne noch hoch am Himmel stand und es in dem Zimmer warm war. Ich ging nach unten, machte mir eine Tasse Kaffee, setzte mich an den Küchentisch und dachte an jene Nacht in Santa Barbara.
Es war eine Erinnerung, die ich all die Jahre über, die ich von Stan getrennt verbrachte, in hohen Ehren gehalten hatte. Da hatten meine Mutter und mein Vater noch gelebt, war Stan noch nicht in den dunklen Wassern des Tunney Lake untergegangen, und meine spätere Odyssee lag noch vor mir. Man hätte meinen sollen, dass solch eine Erinnerung zu einem besseren Leben für Stan und mich hätte führen müssen, einem Leben, dem noch viele ähnliche Erinnerungen hätten folgen müssen. An dem Tag in der Küche kam es mir so vor, als hätte ich etwas weggeworfen, als hätte ich, wie im Märchen, eine einmalige Gelegenheit ungenutzt verstreichen lassen.
Am Abend klingelte das Telefon. Ich wusste, dass es Marla war, ging aber nicht ran. Stan schlief bis zum folgenden Morgen durch, und ich blieb allein mit meinen schrecklichen Gedanken.
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Kapitel Vierzehn
Zwischen dem Verschwinden meines Vaters und Pattersons letztem Besuch gab es Tage, an denen Stan und ich nichts anderes machten, als im Haus zu sitzen und auf Neuigkeiten zu warten. Aber es gab auch Zeiten, da ertrugen wir es nicht, mit unseren Gedanken allein zu sein. An diesen Tagen gingen wir entweder in die Stadt, liefen bis zur Erschöpfung herum und verteilten Handzettel für Plantasaurus oder gingen zur Lagerhalle und kümmerten uns um unsere Pflanzen. Und einmal die Woche fuhren wir zu den Slopes und versorgten die Blumenkübel in Jeremy Tripps Haus. Auf diese Weise wurde Plantasaurus zu unserem Halt, während wir mit der Abwesenheit unseres Vaters zu leben lernten.
Doch die Neuigkeit, dass die Polizei ihre Ermittlungen einstellen würde, stellte einen Wendepunkt für uns dar. Wir diskutierten nicht darüber. Wir setzten uns nicht zusammen und sprachen über die richtige Vorgehensweise. Am Tag nach Pattersons Besuch machten wir uns schlicht und einfach an die Arbeit.
Gegen zehn Uhr vormittags kamen wir zu unserer Lagerhalle. An die zwanzig Reaktionen hatten wir auf unsere Handzettel erhalten. Ich rief die Leute an und vereinbarte Termine. Wir schätzten, wie viele Pflanzen wir im Lauf des kommenden Monats zusätzlich zu denen brauchen würden, die Bill Stan gegeben hatte, und gaben unsere erste Bestellung bei dem Großhändler in Sacramento auf. Am Nachmittag fuhren wir nach Oakridge und schlossen Verträge mit drei der Geschäfte, die ich angerufen hatte, dann kehrten wir zur Lagerhalle zurück und bestückten die Blumenkübel. Es war ein schöner Tag. Wir waren so beschäftigt, dass wir nicht zum Nachdenken kamen, und mit Plantasaurus machten wir definitiv Fortschritte.
Am Abend kam Marla zu uns nach Hause. Sie war in den zurückliegenden Wochen mehrmals da gewesen; sie kochte für uns und half im Haushalt. An diesem Abend brachte sie eine Flasche Wein mit. Wir drei aßen am Küchentisch zu Abend, wo die warme Luft zur offenen Tür hereinwehte. Über uns flatterten Falter und stießen leise gegen das Ornamentglas der Küchenlampe. Stan sah häufig zu ihnen auf, während wir aßen.
»Da sind viele Falter, Johnny.«
»Das liegt am Licht.«
»Ich weiß, aber es sind mehr als gewöhnlich.«
»Findest du?«
»Ich glaube, das ist eine Botschaft.«
»Tatsächlich?«
»Wegen Dad und Plantasaurus und allem.«
»Was redest du da?«
»Wir brauchen Kraft, Johnny, damit aus Plantasaurus auch ganz
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