Ende einer Welt
oder
das tiefe Schnarchen eines Schläfers unterbrach manchmal die
Stille. Keinen Wächter gab es vor diesen Wohnstätten,
in denen sechs Familien hausten, ein Zeichen für die
Sicherheit, in der die Menschen am Flusse seit Jahrhunderten lebten.
Die lohenden Flammen vor dem Eingange jeder Hütte
genügten, um die Hyänen zu verscheuchen, die sich
nachts frech der Niederlassung der Menschen näherten. Das
Knacken ihrer starken Kiefer, die die Knochen zernagten, die
tagsüber aus den Hütten geworfen worden waren,
verriet ihre nächtliche Anwesenheit.
No schlüpfte, ohne zu zögern, in eine der
mittleren Wohnstätten. Wie leise er auch eintrat, das scharfe
Ohr des Mannes, der nahe dem Eingange lag, vernahm sein
Geräusch, der Schläfer richtete sich auf und fragte
mit gedämpfter Stimme:
»Etwas Neues?«
»Nichts«, antwortete No. »Ich war
weit genug und fragte alle, denen ich begegnete. Den ganzen
Fluß entlang ist man beunruhigt.« Er fügte
in verändertem Tone hinzu: »Dies hier habe ich
erlegt.«
Er zog den Zobelmarder aus seinem Wams und reichte ihn dem
Vater hin, der ihn prüfte.
»Ein schönes Stück«,
urteilte Timaki befriedigt. Er warf das Tier in den Hintergrund der
Hütte, legte sich wieder nieder und setzte seinen Schlaf fort.
No hockte indessen beim Feuer nieder, holte ein Stück Fleisch
unter einem heißen Stein hervor und begann zu essen. Nach
beendetem Mahl ging er einige Schritte weit bis zu einem kleinen
Bächlein, das zwischen zwei Hütten rieselte, trank in
durstigen Zügen und ließ sich das Wasser noch
über Gesicht und Hände laufen. Er blieb eine Weile in
den Anblick des aufgehenden Mondes versunken, der auf einer flachen
Kuppe, hinter der er hervorkam, zu ruhen schien. Er lauschte den
vielstimmigen Geräuschen der Nacht, deren Bedeutung ihm
bekannt war. In weiter Ferne klang die Stimme eines jagenden Uhus.
Leichtes Knistern in einem Gebüsch verriet ihm ein Tier, das
zum Flusse abwärts stieg. »Ein Eber«,
murmelte No.
Er trat in die Hütte zurück,
schlüpfte in seinen pelzgefütterten Sack, der neben
dem seines Vaters lag, und schlief augenblicklich ein.
Im Osten zeigte sich schon ein heller Streifen am Himmel.
Heftiger Frost herrschte. No schreckte unruhig aus seinem Schlafe auf
und rief:
»Ich habe sie gefunden, während der Nacht
habe ich sie gefunden! Ich folgte ihren Spuren, bis mir der Atem
versagte.« Und er keuchte wie nach einem rasenden Laufe.
»In dieser Richtung, der Quelle des Flusses zu, sind sie
davon.«
Und sein Arm wies gegen Nordost.
»Ich werde es sofort dem Häuptling
melden«, entgegnete Timaki, der damit beschäftigt
war, das Feuer anzufachen.
Durch den Klang ihrer Stimmen geweckt, erhoben sich zwei
Frauen, die im Hintergrund der Hütte geschlafen hatten, und
kamen zu No. Die ältere war Bahili, eine stattliche Matrone,
deren faltiges Gesicht und deren Augen voll Güte waren. Sie
näherte sich ihrem Sohn. Stolz und bewundernd blickte sie auf
ihn. Wo fand man im ganzen Stamm der Bären, der wegen der
Schönheit seiner Männer berühmt war, einen
Jüngling, der herrlicher gewachsen, stärker und
gelenkiger war? Sicherlich konnte seine Mutter auf ihn stolz sein. Doch
ihr Herz krampfte sich schon jetzt bei dem Gedanken zusammen,
daß es die letzten Monate waren, die sie gemeinsam verlebten.
Im Sommer sollte er zum Manne geweiht und dadurch von ihr getrennt
werden.
Hinter ihr reckte ihre Tochter die Arme. Drei Jahre
jünger als No, war sie doch wie eine Gerte emporgeschossen,
schon entwickelt, mit leicht geschwungenen Hüften. Ihr kleiner
Kopf mit den reizvoll feinen Zügen wiegte sich auf einem
langen, schmalen Hals. Mah war ihr Name, und nur ein Jahr noch blieb
ihr bis zum Hochzeitsreigen. Sie gähnte und zeigte dabei
gesunde Zähne, so weiß wie die Narzissen auf der
Wiese, und ihr Gähnen ging in ein Lächeln
über, mit dem sie ihren Bruder begrüßte. So
oft es die gerade in dieser Hinsicht sehr strengen Sitten des Stammes
erlaubten, suchte sie seine Gesellschaft und begleitete ihn, wenn er in
der Nähe der Hütten umherstreifte. Die Geschwister
hatten übrigens eine große Ähnlichkeit, an
ihr war Anmut, was bei ihm Kraft war, doch beiden gemeinsam war die
freie Haltung, Geschmeidigkeit und Ausdauer, die selbst bei diesem Volk
der Jäger, das in langen Märschen und schnellem Lauf
geübt war, in solcher Vollendung überraschten. Oft
nahmen sie am Spätnachmittag, wenn No Zeit fand
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