Ende einer Welt
Blutes
von sich. Die bösen Geister, die von ihm Besitz ergriffen
hatten, ließen ihn wie einen sprechen, der der Vernunft
beraubt ist. Und plötzlich fiel er in einem Krampf zu Boden,
um nicht wieder aufzustehen. Das Ganze dauerte kaum einige Tage.
Durch die lange Zeit der Beschwerden und
äußerster Unruhe geschwächt, starben
Männer, Frauen, Kinder und Greise wie die Fliegen. Von zehn
Menschen, die das Übel befiel, blieben kaum drei am Leben. Man
sah die Zeit voraus, da nicht mehr genügend Gesunde da sein
würden, um die Sterberiten abzuhalten. Das
Töchterchen Nos war eines der ersten Opfer. Ihren kleinen
Körper warf man in den Fluß. Bahili und ihr zweiter
Sohn wurden von der Krankheit befallen. Es gab keine Hütte
ohne Kranke oder Sterbende. Die Weisen vermehrten ihre vergeblichen
Beschwörungen, doch die feindlichen Mächte waren die
Stärkeren.
Nachdem sie alles versucht hatten, kamen sie auf den Einfall,
auf den Terrassen wohlriechende Kräuter und noch feuchte
Zweige anzuzünden. Ein beißender, duftender Rauch
stieg daraus empor. Man hoffte, daß die feindlichen
Dämone diese dichten Vorhänge nicht würden
durchdringen können. Der Erfolg zeigte, daß man
richtig gehandelt hatte. Die Krankheit begann jetzt nachzulassen, neue
Fälle zeigten sich seltener. Boro und die Weisen gewannen mit
einem Schlage ihr Ansehen zurück. Als dann gegen Mitte des
Frühjahres die Sonne kräftiger zu scheinen begann,
verschwand die böse Seuche vollkommen. Doch was für
Verluste hatten die Söhne des Bären erlitten! Mehr
als die Hälfte von ihnen war verschwunden. Kaum vierhundert
blasse, kraftlose, zum Skelett abgemagerte Menschen blieben
zurück. Und diese Unglücklichen, denen es
Mühe verursachte, ihren Unterhalt zu sichern, mußten
sich jetzt auch noch gegen die Seelen der Verstorbenen wehren, die
ihnen zusetzten. Denn die Kranken hatten während der grausamen
Seuche tatsächlich nicht alles tun können, was
geboten war, die Seelen der Abgeschiedenen zu besänftigen. Vom
Beginn der Dämmerung an irrten sie seufzend durch die
Wälder und forderten, was ihnen gebührte. Mehr als
einer von ihnen entführte einen Lebenden, den er in der Nacht
überrascht hatte.
Nach ihrem Kinde war Mara krank geworden. Um die
Dämonen zu töten, die in sie einzudringen versuchten,
kam No auf den Gedanken, sie Dämpfe heißen Wassers
einatmen zu lassen, in das bittere, am Ufer des Sumpfes
gepflückte Kräuter vermischt waren, über die
ein Weiser die feierlichste aller Beschwörungen gesprochen
hatte. Die Kur half. Nach kurzer Zeit befreite ein heftiger Husten Mara
von den verderblichen Häuten, die ihren Schlund versperrten.
Sie schlief zwei Tage lang in ihrem Sack, den No nahe zum Feuer
gerückt hatte. Sie schwitzte überströmend,
und als sie erwachte, war sie geheilt.
Noch schöner als vorher erschien sie No. Ihr kleiner
Kopf saß auf einem Halse, der seit der Krankheit noch
schlanker erschien. No wußte nicht mehr, ob er seine Frau oder
seine Schwester vor sich hatte. Das Wetter besserte sich. Die Sonne
ließ die Feuchtigkeit schwinden und goß ein wenig
Freude in die Herzen der am Leben Gebliebenen. Mara schloß
sich den Mädchen an, die auszogen, Kräuter und Blumen
zu pflücken. Wieder erklangen ihre traurigen Lieder morgens
und abends auf den Hügeln. Aber Mara durfte nicht dem Chor der
Jungfrauen folgen, wenn sie sich bei der heiligen Eiche einfanden.
No glaubte schon, der regelmäßige Kreis der
Beschäftigungen und Feste, die das Jahr erfüllten,
werde sich nach so viel Stürmen ohne neue
Zwischenfälle runden, als eine Entdeckung, die er eines Tages
machte, ihn und den ganzen Stamm in neuen Schrecken setzte.
Er erblickte eines Tages beim Fischen einen fremdartigen
Gegenstand, der in der Strömung trieb, zog ihn mit Hilfe
seiner Harpune ans Ufer heran und nahm ihn neugierig aus dem Wasser. Es
war ein anderthalb Fuß langer, fingerdicker Stecken, an dessen
einem Ende ein armlanger Lederstreifen befestigt war, der in seiner
ganzen Länge spitz zulaufend geschnitten war. Wer hatte dieses
sonderbare Ding verfertigt, wo kam es her, wozu mochte es dienen?
Gewiß war nur, daß er Ähnliches noch bei
keinem der ihm bekannten Nachbarstämme gesehen hatte. Auch die
Händler, die doch so viel herumkamen, hatten ein derartiges
Werkzeug niemals beschrieben. Sollte es irgendeine neue Art von
Schlinge sein, die man dem Wild legt? Wer war der Besitzer? Von wo war
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