Ende (German Edition)
Zeitpunkt, um …»
«Problem?», sagt Ibáñez. «Ich habe kein Problem.»
«Ach nein? Dann erzähl doch den anderen von deinen Abenteuern in der Hauptstadt. Hat er euch nicht gesagt, dass er drei Jahre da gelebt hat? Nein? Darüber redet er offenbar nicht gern.»
Alle schauen Ibáñez an, sogar Hugo. Niemand kann sich der morbiden Neugier entziehen, die Amparos Bemerkung geweckt hat. Ibáñez sitzt reglos da und starrt mit finsterem Gesicht zu Boden, scheint zu bestätigen, dass es sich um eine schwerwiegende Verfehlung handelt.
«Er behauptet, es sei wegen eines Jobs gewesen. Kann durchaus sein. Was er aber nicht erzählt, ist, dass er dort eine Frau kennengelernt und geheiratet hat. Oder zumindest mit ihr zusammengelebt. Jedenfalls bekamen die beiden ein Kind. Von wegen ungebundener Single. Und jetzt plustert er sich hier auf und wirft mir vor, ich sei unsensibel, nur weil ich … Hochzeit, Kind, Trennung – alles innerhalb von drei Jahren. Null Verantwortungsgefühl! Ein Arschloch ist das! Wie konnte er nur eine so tolle Frau sitzenlassen, ein so süßes Kind? Wie konnte er nur?»
«Du kennst sie nicht mal», wehrt sich Ibáñez, ohne sich zu rühren, ohne den Blick vom Boden zu heben.
«Aber ich kenne jemanden, der sie kennt, gut kennt. Tja, Pech gehabt. Die Welt ist klein.»
«Du hast kein Recht, mich zu verurteilen.»
«Warum hast du dann nicht deine eigene Version erzählt? Bist wohl nicht sonderlich stolz darauf, was?»
«Und du? Nimmst du den Mund nicht ganz schön voll?» Ibáñez geht zum Gegenangriff über. «Dein Leben ist ja auch nicht gerade eine Erfolgsstory.»
«Zumindest habe ich keine Kinder in die Welt gesetzt.»
«Weil du nicht konntest.»
«Nein, mein Guter, das hättest du wohl gern. Wenn ich keine Kinder habe, dann weil ich mir nicht sicher war, weil mir klarwurde, dass die Männer alle …»
«… Schweine sind? Fest steht doch nur, dass du in deiner Ehe gescheitert bist. Denn geheiratet hast du ja.»
«Ich kann wenigstens sagen, dass mein Mann ein Arschloch war. Aber du. Nenn mir einen einzigen plausiblen Grund für deine Trennung.»
Ibáñez schweigt verstockt, was Amparo nutzt, um den anderen weitere Details zu liefern.
«Denkt bloß nicht, dass er sich eine einfache Näherin geangelt hat, nein, die Frau hatte studiert, war künstlerisch begabt und fleißig.»
«Wisst ihr, warum sie das alles erzählt?», meldet sich Ibáñez zu Wort. In seiner Stimme liegt eine unterdrückte Aggressivität, die allen einen kalten Schauer über den Rücken jagt. «Wisst ihr, warum sie mich so angreift? Weil sie mal was von mir wollte und ich sie hab abblitzen lassen.»
«Was redest du da, Rabanito?», säuselt Amparo und entlockt damit Nieves und Maribel, die sich an seinen Spitznamen erinnern, ein Lächeln. «Rabanito», kleiner Rettich. Er hatte damals im weiblichen Teil der Clique die Runde gemacht, ohne dass es dem Betroffenen zu Ohren gekommen war. «Ich rede von ernsten Dingen, nicht von Teeniekram. Außerdem stimmt das nicht.»
«Ach nein? Dann hast du mir damals nicht dein ganzes Leben erzählt, wie unglücklich du warst und so? Und wir, haben wir am Ende nicht geknutscht?»
«Hört euch den an! Wer erinnert sich denn heute noch an einen bestimmten Kuss? Küssen war damals tägliches Programm, heiße Küsse wohlgemerkt. Du bist eben nie zum Zug gekommen. Wahrscheinlich war unser harmloser Kuss der einzige, den du abgekriegt hast, deswegen erinnerst du dich noch so gut daran. Dabei habe ich dich nur aus Mitleid geküsst.»
«Aus Mitleid? Wer hatte Mitleid mit wem? Ihre Eltern haben sich seinerzeit ständig gestritten, und für ihre Mutter hat sowieso nur ihr Bruder gezählt. Von zu Hause abhauen wollte sie deswegen. Und eines Tages hat sie ihm eine verpasst mit …»
«Ich glaub’s ja nicht! Erinnert sich noch an alles, der Typ!», unterbricht ihn Amparo. «Wie gesagt, war offenbar sein erster Kuss. Hätte ich’s gewusst, hätte ich mir mehr Mühe gegeben.»
«Eines ist jetzt klargeworden», sagt Ibáñez, steht auf und sieht Amparo von oben herab an. «Du bist eine verkappte Lesbe, deswegen scheiterst du mit deinen Männern.»
Amparo bleibt sitzen, während Ibáñez sich verächtlich einige Schritte entfernt. Er kehrt den andern den Rücken zu und starrt in die Dunkelheit.
«Ich bin keine Lesbe, du Idiot», presst Amparo zwischen den Zähnen hervor. «Es gibt überhaupt keinen Grund, so was zu behaupten.»
«Ich habe verkappte Lesbe gesagt», korrigiert sie
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