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Ende (German Edition)

Ende (German Edition)

Titel: Ende (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Monteagudo
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würde sie zerstreut mit seinen Haaren spielen.
    «Dort ist garantiert auch keiner.»
    Marías Hand hält inne, sinkt etwas tiefer, ohne jedoch Ginés’ Rücken zu berühren. Dabei ist es gar nicht Ginés, der gerade gesprochen hat. Es ist Amparo: Ihre Stimme ist deutlich zu vernehmen im Dunkel der Nacht, sie scheint dem Boden zu entspringen, auf den sie ihren Kopf gebettet hat. Es ist, als garantiere ihr die Unsichtbarkeit, dass sie ungestraft aussprechen kann, was alle denken, aber nicht zu sagen wagen.
    «Weil nirgends jemand ist. Den ganzen Tag haben wir niemanden getroffen. An einem normalen Sonntag fahren hier Hunderte von Autos lang.»
    «Dass wir niemandem begegnet sind», fängt Ginés an, als fiele es ihm schwer zu sprechen, «bedeutet nicht unbedingt …»
    «Und was ist mit dem Auto?», beharrt Amparo. «Es hatte einen Unfall.»
    «Ich weiß, worauf du hinauswillst», erwidert Ginés. «Aber ob der Unfall genau zum Zeitpunkt des Stromausfalls passiert ist, wissen wir nicht.»
    «Die Delle hatte es jedenfalls noch nicht lang», mischt sich Ibáñez ein. «Da war kein Rost.»
    «Und die Schlüssel haben gesteckt», ergänzt Amparo. «Wer würde denn seine Schlüssel …»
    «Du versteifst dich auf Details. Die Beweisführung für eine These hat immer etwas Tendenziöses», sagt Ginés.
    «Hör auf mit dieser Wortklauberei», kontert Amparo. «Was hier passiert, liegt doch auf der Hand, dafür braucht es keine Beweise. Es ist ja nicht nur die Tatsache, dass hier keine Menschenseele ist. Es ist die Welt überhaupt, alles. Schaut euch die Sterne an: Die funkeln schon wieder so merkwürdig. Und die Grillen, die haben noch nie so laut gezirpt. Als wüssten sie …»
    «Es ist noch zu früh, um solche Schlussfolgerungen zu ziehen», versucht Ginés sie zu beruhigen, muss sich aber selbst zur Gelassenheit zwingen. «Wir sind alle müde, der Tag war hart. Und nachts wirkt immer alles schlimmer. Morgen ist ein neuer Tag, morgen schaffen wir es nach Somontano.»
    «Wozu?», fragt Amparo. «Um festzustellen, dass auch dort niemand ist?»
    «Mir ist egal, ob da jemand ist!», platzt es aus Ginés heraus. «Hauptsache, es gibt Essen, Wasser, Betten und ein Schwimmbad. Ein Schwimmbad gibt’s in jedem Dorf. Und Fahrräder, jede Menge Fahrräder. Und einen Schuhladen. Außerdem weiß keiner, ob da nicht doch jemand ist!»
    Niemand sagt etwas, nicht einmal Amparo. Ginés schlägt einen versöhnlicheren Ton an: «Wir wissen einfach nicht, was für Ausmaße das hier hat. Dafür fehlen uns Informationen.»
    «Ginés hat recht», kommt ihm María zu Hilfe. «Ich hab mal einen Film gesehen, da haben sich die Leute, also die Überlebenden, am Ende umgebracht, weil sie dachten … Und dann hat sich rausgestellt, dass ganz in der Nähe …»
    «Die Frau», sagt Amparo, «sie ist einfach verschwunden.»
    «Bitte», fleht Ginés sie mehr ungläubig als verärgert an.
    «Wie hieß sie noch gleich? Egal, jedenfalls ist sie verschwunden, hat sich in Luft aufgelöst. So schnell, wie das ging, kann sie nicht abgehauen sein. Ich weiß nicht, wieso wir sie so lang gesucht haben. Es war offensichtlich, dass …»
    «Vielleicht ist sie doch abgestürzt», wendet Nieves vorsichtig ein. «Und die Ziegen haben sie mitgeschleift.»
    «Wie beim Rodeo, oder was?», spottet Amparo. «Ich fass es nicht!»
    «Das kann nicht sein», redet María sanft auf Nieves ein. «Das hätten wir gesehen. So dicht gedrängt war die Ziegenherde nun auch wieder nicht.»
    «Wisst ihr was», meldet sich Maribel zu Wort, die mit weit geöffneten Augen die Lampe anstarrt. «Als wir in dem Haus waren …»
    «In welchem Haus?»
    «In welchem wohl? Da, wo wir gegessen haben. Also, als die Spülung losging, hattet ihr alle Schiss. Ich aber nicht. Ich hatte vielmehr Hoffnung, ich dachte, es könnte Rafa sein, es muss Rafa sein, ich war mir sicher, dass er uns gefolgt war, dass seine Wut verflogen war, dass er sich einen Scherz mit uns erlaubte.»
    Maribel schweigt einige Sekunden lang. Kurz hat es den Anschein, als bräche sie gleich in Tränen aus, weil ihr jedes Mal, wenn sie den Namen ihres Mannes ausspricht, die Stimme zittert. Aber dann, nachdem sie nachdenklich einen Blick auf die Flamme geworfen hat, fährt sie in einem anderen Ton fort, heiterer, gelassener, aber dadurch umso besorgniserregender.
    «Aber jetzt ist mir klar, dass das Quatsch war. Und klargeworden ist es mir in dem Moment, als diese Frau verschwand, diese …»
    «Cova.»
    «Genau. Da habe

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