Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ende (German Edition)

Ende (German Edition)

Titel: Ende (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Monteagudo
Vom Netzwerk:
einer Linkskurve. Das Gelände ist flach oder leicht abschüssig, was zum Schnellerfahren animiert. Stattdessen wird das Trio eher langsamer, ohne sich dessen bewusst zu sein.
    «Vorsicht. Wir wissen nicht, was uns erwartet», warnt Ginés.
    Obwohl sie langsam fahren und sogar die Füße von den Pedalen nehmen, ist der Berg irgendwann umrundet. Was sich vor ihnen auftut, beendet zwar die nagende Ungewissheit, bedeutet aber auch eine Enttäuschung. Die Straße steigt – mal steiler, mal flacher – an, gerät an manchen Stellen aus dem Blick, führt eine Anhöhe hinauf, die bis dahin nicht zu sehen war. Die Hälfte des Terrains ist verkohlt.
    «Hier hat’s gebrannt!»
    «Hab ich doch gleich gesagt.»
    «Alles schwarz, die ganze linke Seite.»
    «Bäume gab’s hier keine, höchstens Minibäumchen. Und Büsche, wie man auf der anderen Seite sieht. Die Landschaft hat sich ganz schön verändert!»
    «Bis vor kurzem muss das Feuer heftig gewütet haben.»
    «Und es brennt immer noch. Schau mal die Flammen dort!»
    «Der Bach hat das Feuer gestoppt. Auf der einen Seite ist die Straße, auf der anderen der Berg.»
    «Dann muss es von da oben gekommen sein.»
    «Genau. Das bedeutet aber auch, dass es ziemlich lang gebrannt hat. Kann also durchaus mit dem Stromausfall zusammenhängen.»
    «Oder auch nicht. Im Sommer sind solche Brände ganz normal.»
    «Stimmt. Offenbar hat es hier schon öfter gebrannt. Schaut auch die Hügel an, überall nur Gestrüpp. Eigentlich müssten hier Bäume stehen, wie auf den Bergen.»
    Obwohl man es mit dem Auge nicht wahrnimmt, steigt die Straße leicht an. Die Radfahrer müssen wieder stärker in die Pedale treten. Das Gespräch versiegt. In der ehrfurchtgebietenden Stille der kargen Landschaft, die kein Echo wirft, ist nur das Ein- und Ausatmen der Radfahrer zu hören, das leise Sirren der Mechanik.
    Die Landschaft ist deprimierend, ihr Doppelgesicht hat etwas Irreales: Auf der einen Seite ist sie schwarz, auf der anderen grün, wenn auch eher spärlich bewachsen. Die Straße zerteilt sie wie ein am Reißbrett gezogener Strich.
    Es ist heiß. Die Brise treibt nicht nur den Geruch nach verbranntem Gras auf das Trio zu, sondern auch die Hitze der verkohlten, immer noch rauchenden Stoppel. Nach und nach verflüchtigt sich die Rauchsäule, wird zu kleinen Rauchnestern, zu einem nebligen Atem, der schließlich ebenfalls verschwindet. Einige Minuten später fahren die drei Radfahrer schweigend durch eine monotone, sich endlos hinziehende Landschaft aus kaltem, totem Ruß.
    Getrieben von dem Wunsch, der Ödnis so schnell wie möglich zu entkommen, nehmen die drei Überlebenden mehrere Kuppen wie im Flug. Dann macht die Straße eine leichte Kurve nach rechts und führt in gerader Linie hinauf zu einer Passhöhe, die eine Abfahrt verspricht, die Ankunft in einer Stadt, einer anderen Umgebung, die Erlösung von dieser verbrannten Landschaft.
    Auf der rechten Seite taucht eines der braunen Schilder auf, die auf einen Fluss oder einen Viadukt hinweisen. Noch ist es zu weit entfernt, als dass man es lesen könnte. Die Radfahrer hoffen, dass es den Pass anzeigt, den sie so sehr herbeisehnen. So konzentriert starren sie auf das metallische Rechteck, dass keiner das seltsame Gebilde bemerkt, das zu ihrer Linken in den Blick gerät, hinter dem Bergrücken. Es ist kaum zu erkennen, weil es ebenso schwarz und verkohlt ist wie die Landschaft.
    «Der Gordalpass!», ruft Ginés plötzlich. «Habt ihr gesehen? Ich wusste, dass es nicht mehr weit ist. Jetzt kommt eine lange Abfahrt.»
    «Siebenhundertfünfunddreißig Meter», liest Amparo vor.
    «Was ist denn das da drüben?», fragt María.
    Ginés und Amparo schauen in die Richtung, in die María zeigt. Es dauert nicht lang, da entdecken auch sie das runde, schwärzliche Gebilde, das hinter dem Bergrücken aufragt. Je näher sie der Passhöhe kommen, desto deutlicher sehen sie es.
    Es ist groß. Die Entfernung kann täuschen, aber es ist so groß wie ein Auto, vielleicht sogar noch größer, wenn auch zylindrischer, runder. Trotz seines mineralischen Äußeren entdeckt das Auge bald Details, Texturen, Eigenschaften, die darauf hindeuten, dass es aus Metall ist, aus verbranntem, durch einen heftigen Aufprall verbeultem Metall.
    Die Radfahrer halten an, legen ihre Räder ab und machen sich auf zu dem rätselhaften Objekt. Weil ihre Beine taub sind, springen sie ungeschickt über die scharfkantige, von der Sonne aufgeheizte Leitplanke, und rutschen die ein Meter

Weitere Kostenlose Bücher