Ende (German Edition)
schnurgerade, durch kleine Täler und Mulden, vorbei an grünen Weinhügeln, Obstwiesen, Gehöften, flankiert von pinienbewachsenen Bergen. Schließlich führt sie auf eine Anhöhe hinauf, macht eine kleine Kurve, als verlöre sie die Orientierung, nur um in eine weitere Niederung hineinzuführen, die der vorherigen gleicht.
Nach fünf oder sechs Kilometern, am Ausgang eines etwas breiteren Tals, steigt die Straße plötzlich steil an und mündet in einen kleinen, von Häusern umgebenen Platz. Der Weg dorthin ist mit grünen Bäumen gesäumt. Unzählige Hinweisschilder fordern dazu auf, langsamer zu fahren, weisen darauf hin, dass gleich die Ampel kommt. Kurz vor den ersten Häusern steht tatsächlich eine Ampel, die allerdings nicht funktioniert. Aber es ist nicht diese tote Ampel, die die Aufmerksamkeit der drei Radfahrer auf sich zieht: Was ihre Aufmerksamkeit auf sich zieht, was María einen Schrei entlockt, was ihren Blick auf einen bestimmten Punkt in der Landschaft lenkt, ist eine diffuse Rauchsäule – keine Wolke –, die aus den Häusern rechts der Straße aufzusteigen scheint.
«Rauch», sagt María, ohne mit dem Treten innezuhalten. «Vielleicht ist da jemand.»
«Freuen wir uns lieber nicht zu früh», warnt Ginés. «Womöglich brennt es nur irgendwo.»
«Vielleicht ein verunglücktes Auto», meint Amparo.
«Aber dann würde … Meinst du, es würde immer noch brennen?»
«Ich weiß nicht», antwortet Ginés zögernd. «Lagerfeuer scheint es keins zu sein, sonst würde der Rauch von einer bestimmten Stelle aufsteigen.»
«Wer würde bei dieser Hitze auch ein Lagerfeuer machen?», sagt Amparo.
«Könnte doch sein: um zu kochen oder um sich vor Tieren zu schützen», gibt Ginés zu bedenken.
«Jetzt machst du schon wieder einen auf Oberschlaumeier», weist ihn María zurecht.
«Ich wollte damit nur sagen, dass da jemand sein könnte: Menschen.»
«Noch weiß ich, was ein Mensch ist.»
Die Straße führt unmerklich bergauf, die Radfahrer müssen stärker in die Pedale treten, um nicht langsamer zu werden. Vor ihnen liegt eine vierhundert Meter lange Steigung. Ginés und Amparo wissen, dass es bis zum Dorf noch ein hartes Stück Arbeit ist, dass sie vorher noch die Passhöhe überwinden müssen.
Entfernungen werden anders wahrgenommen, wenn man sich auf einem Fahrrad Meter für Meter vorankämpfen muss. Andererseits hat Ginés diese Strecke in seiner Jugend, als er noch in Villallana lebte, häufig zurückgelegt, ebenso Amparo, auch wenn sie in letzter Zeit die Autobahn genommen hat.
Die Sonne scheint von hinten, wirft die hybride Gestalt aus Fahrrad und Mensch als meterlangen Schatten auf den Asphalt, wie einen Pfeil, der dazu auffordert, immer weiterzufahren. Es ist nach wie vor heiß, scheint sogar noch heißer geworden zu sein, was allerdings auch an dem anstrengenden Bergauffahren liegen kann. Oder der Sonne, die gnadenlos auf den Rücken brennt.
Einige Minuten später erreichen sie keuchend den Pass. Empfangen werden sie von einem quer über die Straße gespannten Banner, das die Festwoche zu Ehren des Dorfpatrons ankündigt.
«Schaut mal, das Fest war voll im Gange», sagt Amparo, nachdem sie das Datum gelesen hat.
Seit sie die Ampel passiert haben, führt die Straße flach zwischen den Häusern hindurch und macht dabei eine lange Rechtskurve. Die Rauchsäule ist hinter den Gebäuden verschwunden. Das Dorf ist klein, besteht aus den Häusern, die sich links und rechts der hundert Meter langen Kurve erstrecken. Trotzdem deutet vieles darauf hin, dass bis vor kurzem großer Trubel geherrscht hat: Unzählige Autos parken auf beiden Seiten, drei Kneipen sind geöffnet, zum Teil stehen Tische vor dem Eingang. Doch den Radfahrern bietet sich der desolate Anblick, den sie inzwischen nur zu gut kennen: Tische, Stühle, mal mehr, mal weniger gefüllte Flaschen und Gläser, Zigarettenschachteln, Motorräder, die in Reihe geparkt aufreizend, ja dramatisch wirken. Die Wimpel, die über der Straße hängen, wehen sanft im Wind. Eine unheimliche Stille liegt über der Szenerie.
Am Ende der Kurve hört das Dorf plötzlich auf, das letzte Haus ist größer als die anderen, scheint eine Art Pension zu sein, denn vor der Tür ist ein Parkplatz, auf dem allerdings keine Autos stehen.
Die Rauchsäule ist jetzt wieder zu sehen. Sie steigt nicht vom Dorf auf, sondern hinter einem steinigen, mit Gebüschen überwucherten Hügel, um den die Straße nach einer kurzen Geraden herumführt, diesmal mit
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