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Ende (German Edition)

Ende (German Edition)

Titel: Ende (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Monteagudo
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María.
    Sie reißt ihm das Fläschchen aus der Hand und sagt ihm, wie er die Wunde präparieren soll. Ginés zieht die Haut der glatten braunen Wade auseinander, bis das Loch, das der Hund gebissen hat, weit geöffnet ist. María presst das Fläschchen zusammen und spritzt einen dünnen Strahl darauf, der höllisch brennt.
    «Das Zeug muss tief eindringen», erklärt sie, beißt die Zähne zusammen und verzieht das Gesicht. «Die Hälfte der Mikroben sind anaerob.»
    «So viel, wie du da draufspritzt, überlebt garantiert keine Mikrobe», sagt Ginés und versucht mit dem Wattebausch das Wasserstoffperoxyd zurückzuhalten, das in die Strümpfe zu laufen droht. «Aber spritz ruhig noch mehr drauf, irgendwo findet sich bestimmt noch ein Fläschchen.»
    «Du hättest früher schreien müssen», sagt Amparo wie aus heiterem Himmel.
    Ginés und María haben sie ganz vergessen und sehen sie jetzt erstaunt an, fragend, lassen das Fläschchen und den Wattebausch ruhen. Amparo ist vom Sattel gerutscht und steht mit beiden Beinen da, die Hände auf den Lenker gelehnt.
    «Als sie geschrien hat, sind sie erschrocken», fährt Amparo fort, als spräche sie nur mit Ginés. «Sie hätte früher schreien müssen.»
    María wendet ihre Aufmerksamkeit wieder ihrer Wade zu. Von außen betrachtet, hat es den Anschein, als hätte sie nicht gehört, was Amparo gesagt hat.
    «Jetzt müssen wir es erst mal einwirken lassen», erklärt sie. «Danach machen wir Jod drauf und fertig. Ein Pflaster brauche ich nicht.»
    «Wir haben alle überreagiert. So schlimm war’s nämlich gar nicht», fährt Amparo ungerührt fort und schiebt ihr Fahrrad einige Zentimeter vor und zurück, sodass der Sattel mehrmals gegen ihr Steißbein drückt. «Ein Schrei, und schon waren sie weg.»
    Diesmal sehen María und Ginés sie nicht einmal an.
    «Zum Glück haben wir daran gedacht, einen Verbandskasten mitzunehmen», sagt Ginés und wiegt das Jodfläschchen in der Hand.
    «Eine Flinte wäre besser gewesen», antwortet María und senkt genervt den Blick.
    Ginés schaut sie mit einem merkwürdigen Gesichtsausdruck an, als sähe er sie zum ersten Mal.
    «Spätestens nach unserer Begegnung mit den Löwen», fährt sie mit mürrischer Miene fort. «Ich verstehe gar nicht, wieso wir nicht auf die Idee gekommen sind, uns eine Waffe zu suchen.»
    «Daran habe ich auch schon gedacht», erwidert Ginés, «hab aber den Gedanken wieder verworfen. Außerdem ist das nicht so einfach. Man muss wissen, wie so ein Ding funktioniert, und man braucht die richtige Munition.»
    «Man kann sich das Leben auch kompliziert machen», erwidert María. «Ist doch ganz leicht: Man sucht einen Waffenladen!»
    «Gerade bei einem Waffenladen ist die Tür besonders gut gesichert», wendet Ginés ein.
    «Verdammt noch mal! Was ist denn mit euch los?» Maria macht ihrem Ärger nun lauthals Luft. Ihr Vorwurf ist an beide gerichtet, obwohl Amparo gar nichts gesagt hat. «Habt ihr was gegen Waffen? Oder hat euer Prophet die Macht, sie zu neutralisieren? Das denkt ihr doch, oder? Ihr denkt, es gibt kein Entrinnen. Ihr denkt, er entscheidet, wie und wann wir verschwinden werden. Hab ich recht?»
    Ginés starrt auf den Verbandskasten und schweigt.
    «Waffen sind Teufelszeug», sagt er schließlich mit düsterer Miene.
    «Waffen verleihen Macht», kontert María.
    «Eben.»
    «Begreift ihr denn nicht, was hier vor sich geht?», wundert sich María kopfschüttelnd. «Noch haben wir die Macht über die Tiere, auch wenn wir in der Minderheit sind.»
    «Mit einer Waffe kann man auch Selbstmord begehen», gibt Amparo zu bedenken. «Mit einer Flinte, meine ich.»
    María sieht sie finster an.
    «Vielleicht habt ihr recht, vielleicht ist es doch keine so gute Idee, eine Waffe zu haben. Sonst kommen wir noch irgendwann in Versuchung, an jemandem ‹Selbstmord zu begehen›.»
    «Ist ja gut», versucht Ginés die Gemüter zu beruhigen und legt wieder seine Hand um die Wade. «Ich mach dir jetzt das Jod drauf.»
    «So schlimm war es gar nicht», sagt María. «Ich hätte mir nur vor Angst fast in die Hosen gemacht», fährt sie wie zu sich selbst fort, während Ginés reichlich Jod aufträgt und eine Mullbinde auspackt.
    «Nein, kein Verband!» María wehrt sich und zieht den Fuß weg. «Die Wunde soll so schnell wie möglich verheilen. Los jetzt. Wir haben schon genug Zeit verloren.»

E ine Viertelstunde ist vergangen. Die drei Fahrräder rollen zügig durch eine flache Gegend. Die Straße verläuft

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