Ender 4: Enders Kinder
schräg, da Jane ihm offenbar etwas ins Ohr flüsterte.
»Ach so«, sagte Peter. »Jane hat einen Zwischenschritt für uns ausgelassen. Aimaina hat nicht direkt eine Botschaft an Malu gerichtet. Er hat eine Frau namens Grace benachrichtigt. Aber Grace ist sofort zu Malu gegangen, und deshalb dachte sich Jane, wir könnten uns genausogut direkt zur Quelle begeben. Danke, Jane. Ich liebe es, wie deine Intuition immer funktioniert.«
»Seien Sie ihr gegenüber nicht so abfällig«, sagte Wang-mu. »Sie steht unter Zeitdruck. Der Befehl zur Abschaltung kann jeden Tag erfolgen. Natürlich will sie sich beeilen.«
»Ich denke, sie sollte einfach jeden derartigen Befehl löschen, bevor irgend jemand ihn empfängt, und alle verdammten Computer im Universum übernehmen«, sagte Peter. »Ihnen eine lange Nase drehen.«
»Das würde sie nicht aufhalten«, sagte Wang-mu. »Es würde sie nur noch mehr in Panik versetzen.«
»Unterdessen werden wir nicht zu Malu gelangen, indem wir ein Boot besteigen.«
»Also lassen Sie uns diese Grace finden«, sagte Wang-mu. »Wenn sie es schafft, dann ist es für einen Außenstehenden möglich, Zugang zu Malu zu erlangen.«
»Sie ist keine Außenstehende, sie ist eine Samoanerin«, sagte Peter. »Sie hat auch noch einen samoanischen Namen – Teu ’Ona –, aber sie hat in der akademischen Welt gearbeitet, und da ist es leichter, wenn man einen christlichen Namen hat, wie sie es nennen. Einen westlichen Namen. Sie wird erwarten, daß wir den Namen Grace benutzen. Sagt Jane.«
»Wenn sie eine Botschaft von Aimaina erhalten hat, wird sie sofort wissen, wer wir sind.«
»Das glaube ich nicht«, sagte Peter. »Selbst wenn er uns erwähnt hat, wie könnte sie wohl glauben, daß sich dieselben Personen gestern auf seiner und heute auf ihrer Welt aufhalten könnten?«
»Peter, Sie sind der vollendete Positivist. Ihr Glaube an die Rationalität macht Sie irrational. Natürlich wird sie glauben, daß wir dieselben Personen sind. Auch Aimaina wird sich dessen sicher sein. Die Tatsache, daß wir innerhalb eines Tages von Welt zu Welt gereist sind, wird ihnen nur bestätigen, was sie schon jetzt glauben – daß die Götter uns geschickt haben.«
Peter seufzte. »Tja, solange sie nicht versuchen, uns einem Vulkan oder so zu opfern, schadet es vermutlich nichts, Götter zu sein.«
»Scherzen Sie nicht damit, Peter«, sagte Wang-mu. »Die Religion ist mit den tiefsten Empfindungen verknüpft, die Menschen besitzen. Die Liebe, die aus diesem Schmortopf aufsteigt, ist die süßeste und stärkste, aber der Haß ist der inbrünstigste, und der Zorn der gewalttätigste. Solange Außenstehende sich von ihren heiligen Stätten fernhalten, sind die Polynesier das friedlichste Volk der Welt. Aber wenn man in den Lichtkreis des heiligen Feuers eindringt, sollte man sich hüten, weil kein Feind skrupelloser oder brutaler oder gründlicher ist.«
»Hast du dir wieder Videos angesehen?« fragte Peter.
»Gelesen«, sagte Wang-mu. »Genaugenommen habe ich ein paar Artikel gelesen, die Grace Drinker geschrieben hat.«
»Ah«, sagte Peter. »Du wußtest schon von ihr.«
»Ich wußte nicht, daß sie Samoanerin ist«, sagte Wang-mu. »Sie spricht nicht von sich selbst. Wenn Sie etwas über Malu und seine Stellung in der samoanischen Kultur auf Pazifika wissen wollen – vielleicht sollten wir es Lumana’i nennen, so wie sie es tun –, dann müssen Sie etwas lesen, was Grace Drinker geschrieben hat, oder etwas, das sie zitiert, oder jemanden, der mit ihr diskutiert. Sie hatte einen Artikel über Atatua verfaßt, wodurch ich auf ihre Schriften gestoßen bin. Und sie hat über die Auswirkungen der Philosophie des Ua Lava auf das samoanische Volk geschrieben. Meine Vermutung geht dahin, daß Aimaina, als er zuerst begann, Ua Lava zu studieren, einige Werke von Grace Drinker las und ihr dann schrieb, um ihr Fragen zu stellen, und so die Freundschaft anfing. Aber ihre Verbindung zu Malu hat nichts mit Ua Lava zu tun. Er verkörpert etwas Älteres. Etwas, das vor Ua Lava da war, von dem Ua Lava aber immer noch abhängt, wenigstens hier in seinem Land.«
Peter betrachtete sie ein paar Augenblicke lang unverwandt. Sie konnte spüren, wie er sie neu abschätzte und zu dem Schluß kam, daß sie doch einen Verstand besaß, daß sie, in Grenzen natürlich, von Nutzen sein mochte. Na, wie gut für dich, Peter, dachte Wang-mu. Wie intelligent du bist, endlich doch zu merken, daß ich neben dem intuitiven, gnomischen,
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