Ender 4: Enders Kinder
großen Städten, auf den Farmen der gemäßigten Zone und in den Forschungsstationen gab es viele, die wenig Geduld für die endlosen Kostümdramen (oder, je nach Sichtweise, die Komödien) aufbrachten, die auf diesen Inseln stattfanden. Und zweifellos gehörte die Bevölkerung Pazifikas nicht durchweg der polynesischen Rasse an. Es waren alle Rassen vertreten, alle Kulturen; alle Sprachen wurden – so schien es jedenfalls – irgendwo gesprochen. Doch selbst die Spötter betrachteten die Inseln als die Seele der Welt. Selbst die, die Kälte und Schnee liebten, unternahmen ihre Pilgerfahrt – die sie vermutlich als einen Urlaub bezeichneten – an tropische Gestade.
Sie pflückten Früchte von den Bäumen, sie glitten in den Auslegerkanus übers Meer, ihre Frauen gingen barbusig, und sie alle tauchten ihre Finger in Taro-Pudding und zupften mit feuchten Fingern Fischfleisch von den Gräten. Noch die weißesten unter ihnen, noch die dünnsten, noch die elegantesten unter den Menschen dieses Ortes nannten sich Pazifisch und sprachen bisweilen, als klänge die uralte Musik des Ortes in ihren Ohren, als erzählten die uralten Geschichten von ihrer eigenen Vergangenheit. Adoptivkinder der Familie, das waren sie, und die echten Samoaner, Tahitianer, Hawaiianer, Tonganer, Maoris und Fidschianer lächelten und erlaubten ihnen, sich willkommen zu fühlen, obwohl diese Menschen, die Uhren trugen, Reservierungen vornahmen und sich abhetzten, nichts von dem wahren Leben im Schatten des Vulkans wußten, dem Leben im Schutz der Korallenbarriere, unter dem vor Papageien funkelnden Himmel, eingehüllt in die Musik der Wellen, die gegen das Riff schlugen.
Wang-mu und Peter kamen in einem zivilisierten, modernen, verwestlichten Teil Pazifikas an und stellten einmal mehr fest, daß ihre von Jane vorbereiteten Identitäten schon auf sie warteten. Sie waren auf ihrem Heimatplaneten Moskva ausgebildete Regierungsmitarbeiter, die ein paar Wochen Urlaub bekommen hatten, bevor sie ihren Dienst als Karrierebeamte in irgendeinem Kongreßbüro auf Pazifika antraten. Sie benötigten wenig an Wissen über ihren angeblichen Heimatplaneten. Sie brauchten nur ihre Papiere vorzuzeigen, um ein Flugzeug zu bekommen, das sie aus der Stadt hinausbrachte, wo sie angeblich, von einem soeben von Moskva eingetroffenen Sternenschiff kommend, mit einem Shuttle gelandet waren. Ihre Maschine brachte sie zu einer der größeren Pazifikinseln, und alsbald zeigten sie ihre Papiere noch einmal vor, diesmal, um zwei Zimmer in einem Ferienhotel an einer schwülen tropischen Küste zu bekommen.
Es bestand keine Notwendigkeit für Papiere, um an Bord eines Bootes zu der Insel zu kommen, die Jane ihnen als ihr Ziel genannt hatte.
Niemand fragte sie nach ihren Ausweisen. Andererseits war aber auch niemand bereit, sie als Passagiere aufzunehmen.
»Warum wollt ihr dort hin?« fragte ein riesiger samoanischer Bootsführer. »Was habt ihr für ein Anliegen?«
»Wir wollen auf Atatua mit Malu sprechen.«
»Kenn’ ich nicht«, sagte der Bootsführer. »Weiß nichts über ihn. Vielleicht versucht ihr’s mal bei jemand anders, der weiß, auf welcher Insel er wohnt.«
»Wir haben Ihnen die Insel doch genannt«, sagte Peter. »Atatua. Laut der Karte ist das nicht weit von hier.«
»Ich habe davon gehört, war aber noch nie dort. Geht und fragt jemand anders.«
Und so war es immer und immer wieder.
»Kriegst du auch langsam den Eindruck, daß Papalagis dort unerwünscht sind?« sagte Peter zu Wang-mu, als sie wieder auf der Veranda von Peters Zimmer saßen. »Diese Leute sind so primitiv, daß sie nicht bloß Ramänner, Framlinge und Utlanninge ablehnen. Ich wette, selbst ein Tonganer oder ein Hawaiianer kann nicht nach Atatua gelangen.«
»Ich glaube nicht, daß es eine Frage der Rasse ist«, sagte Wang-mu. »Ich glaube, es ist etwas Religiöses. Ich glaube, es geht um den Schutz eines heiligen Ortes.«
»Was für Beweise hast du dafür?« fragte Peter.
»Weil es keinen Haß und keine Furcht uns gegenüber gibt, keine verschleierte Wut. Bloß freundliche Unwissenheit. Sie stören sich nicht an unserer Existenz, sie finden bloß einfach nicht, daß wir an den heiligen Ort gehören. Überall sonst würde man uns hinbringen, das wissen Sie.«
»Vielleicht«, sagte Peter. »Aber so xenophob können sie nicht sein, oder Aimaina hätte sich nicht gut genug mit Malu anfreunden können, um ihm eine Nachricht zu schicken.«
Gleichzeitig legte Peter den Kopf ein wenig
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