Ender 4: Enders Kinder
erstaunlicher Herzlichkeit, der lachte, wann immer er nicht gerade kaute oder redete, und manchmal selbst dann. Es schien ihm einen Riesenspaß zu bereiten, diesen Papalagi-Besuchern zu erklären, was verschiedene Namen bedeuteten. »Der Name meiner Frau wiederum bedeutet eigentlich ›Beschützerin der Betrunkenen‹.«
»Tut er nicht«, sagte sein Sohn. »Er bedeutet ›Jemand, der die Dinge in die rechte Ordnung bringt‹.«
»Zum Trinken!« rief der Vater.
»Der Nachname hat nichts mit dem Vornamen zu tun.« Allmählich begann der Sohn sich zu ärgern. »Nicht alles hat eine tiefere Bedeutung.«
»Kinder lassen sich so leicht in Verlegenheit bringen«, sagte der Vater. »Sie schämen sich. Müssen allem immer das beste Gesicht aufsetzen. Die heilige Insel nun – deren Name lautet in Wirklichkeit ’Ata Atua, was heißt ›Lache, Gott!‹«
»Dann würde es ’Atatua ausgesprochen anstatt ’Ata Atua«, korrigierte der Sohn wieder. »Schatten des Gottes, das bedeutet der Name in Wirklichkeit, wenn er überhaupt irgend etwas bedeutet außer einfach ›die heilige Insel‹.«
»Mein Sohn ist buchstabengläubig«, sagte der Vater. »Er nimmt alles so ernst. Er hört einen Witz selbst dann nicht, wenn Gott ihn ihm ins Ohr schreit.«
»Das liegt daran, daß du mir ständig deine Witze ins Ohr schreist, Vater«, sagte der Sohn mit einem Lächeln. »Wie könnte ich da wohl die Witze des Gottes hören?«
Das war das einzige Mal, daß der Vater nicht lachte. »Mein Sohn hat kein Gespür für Humor. Er dachte, das wäre ein Witz.«
Wang-mu sah Peter an, der lächelte, als verstehe er, was diese Leute die ganze Zeit über so witzig fanden. Sie fragte sich, ob er auch nur bemerkt hatte, daß keiner dieser Männer sich vorgestellt hatte, es sei denn in seiner Beziehung zu Grace Drinker.
Hatten sie keine Namen?
Egal, das Essen war gut, und selbst wenn man den samoanischen Humor nicht verstand, waren ihr Lachen und ihre gute Laune so ansteckend, daß es unmöglich war, sich in ihrer Gesellschaft nicht glücklich und behaglich zu fühlen.
»Glaubt ihr, wir haben genug?« fragte der Vater, als seine Tochter den letzten Fisch hereinbrachte, ein großes, rosafleischiges Meeresgeschöpf, mit etwas Glitzerndem garniert – Wang-mus erster Gedanke war der an eine Zuckerglasur, aber wer würde einem Fisch so etwas antun?
Sogleich antworteten seine Kinder ihm, als sei es ein Familienritual: »Ua Lava!«
Der Name einer Philosophie? Oder einfach bloß samoanische Umgangssprache für »es ist genug«? Oder beides zugleich?
Erst als der letzte Fisch zur Hälfte verspeist war, kam Grace Drinker selbst herein, ohne sich dafür zu entschuldigen, daß sie nicht mit ihnen gesprochen hatte, als sie vor mehr als zwei Stunden an ihnen vorbeigegangen war. Eine Brise von der See her kühlte den Raum mit den offenen Wänden ab, und draußen fiel gelegentlich leichter Regen, während die Sonne immer wieder bei ihrem Versuch scheiterte, im Westen im Meer zu versinken. Grace setzte sich an den niedrigen Tisch, direkt zwischen Peter und Wang-mu, die geglaubt hatten, sie säßen so dicht nebeneinander, daß für eine weitere Person kein Platz blieb, besonders für keine Person mit einem derart üppigen Volumen wie Grace. Aber irgendwie fand sich ein Platz, wenn schon nicht, als sie sich hinzusetzen begann, so doch mit Sicherheit zu dem Zeitpunkt, als sie diesen Vorgang abgeschlossen hatte, und nachdem sie einmal ihre Begrüßungen hinter sich gebracht hatte, schaffte sie das, was der Familie nicht gelungen war – sie verputzte den letzten Fisch und beschloß die Mahlzeit damit, sich die Finger abzulecken und genauso verrückt wie ihr Mann über alle Witze zu lachen, die er erzählte.
Und dann, ganz plötzlich, neigte sich Grace zu Wang-mu hinüber und sagte völlig ernst: »Okay, Chinesenmädel, was ist eure Masche?«
»Masche?« fragte Wang-mu.
»Du meinst, ich muß das Geständnis aus dem weißen Jungen rausholen? Man schult diese Jungs darin zu lügen, weißt du. Wenn du weiß bist, läßt man dich nur erwachsen werden, wenn du die Kunst beherrscht, zu heucheln und die eine Sache zu sagen, während du in Wirklichkeit vorhast, eine ganz andere zu tun.«
Peter war entsetzt.
Plötzlich brach die ganze Familie in Gelächter aus. »Schlechte Gastfreundschaft!« schrie Graces Ehemann. »Habt ihr ihre Gesichter gesehen? Sie dachten, sie hätte es ernst gemeint!«
»Aber ich meine es ernst«, sagte Grace. »Ihr beide hattet vor, mich zu
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