Ender 4: Enders Kinder
hat.«
»Es macht sie nervös, wenn irgend etwas – oder, wenn du das vorziehst, irgend jemand – ihre Flotte verschwinden läßt.«
»Sie ist immer noch da«, sagte Wang-mu.
»Streiten wir uns nicht«, sagte Grace. »Sagen wir einfach, daß es sich jetzt, da ich euch bereit dazu gefunden habe, die Wahrheit zu sagen, für Malu vielleicht lohnen könnte, sich die Zeit zu nehmen, sie euch hören zu lassen.«
»Er ist im Besitz der Wahrheit?« fragte Peter.
»Nein«, sagte Grace, »aber er weiß, wo sie gehütet wird, und er kann hin und wieder einen Blick darauf erhaschen und uns berichten, was er gesehen hat. Ich denke, das ist auch schon etwas.«
»Und wir können ihn besuchen?«
»Ihr würdet eine Woche damit zubringen müssen, euch zu reinigen, bevor ihr den Fuß auf Atatua setzen könnt –«
»Unreine Füße kitzeln die Götter!« rief ihr Ehemann und lachte brüllend. »Deswegen nennen sie sie ja auch die Insel des lachenden Gottes.« Peter rutschte unbehaglich auf seinem Sitz hin und her.
»Gefallen euch die Scherze meines Ehemannes nicht?« fragte Grace.
»Nein, ich denke – ich meine, sie sind einfach nicht – ich verstehe sie nicht, das ist alles.«
»Tja, das liegt daran, daß sie nicht sehr komisch sind«, sagte Grace. »Aber mein Ehemann ist wild entschlossen, die ganze Zeit nur zu lachen, damit er nicht wütend auf euch wird und euch mit bloßen Händen umbringt.«
Wang-mu hielt den Atem an, denn sie wußte sofort, daß es stimmte; ohne es zu begreifen, war sie sich schon die ganze Zeit über der Wut bewußt gewesen, die unter dem Gelächter des dicken Mannes brodelte, und als sie auf seine schwieligen, wuchtigen Hände blickte, begriff sie, daß er sie zweifellos in Stücke reißen konnte, ohne auch nur in Schweiß auszubrechen. »Warum würden Sie uns mit dem Tode bedrohen?« fragte Peter, der aggressiver reagierte, als es Wang-mu behagte.
»Im Gegenteil!« sagte Grace. »Ich sage euch doch, daß mein Mann fest entschlossen ist, gerade nicht die Wut angesichts eurer Dreistigkeit und Blasphemie die Herrschaft über sein Tun erringen zu lassen. Der Versuch, Atatua zu besuchen, ohne sich auch nur die Mühe zu machen, herauszufinden, daß es uns Schande machen und uns für hundert Generationen als Volk beschmutzen würde, euch unrein und ohne Einladung euren Fuß daraufsetzen zu lassen – ich finde, da ist es schon eine Leistung von ihm, euch gegenüber keinen Bluteid geschworen zu haben.«
»Das wußten wir nicht«, sagte Wang-mu.
»Er wußte es«, sagte Grace. »Weil er das alles hörende Ohr hat.«
Peter errötete. »Ich höre, was sie zu mir sagt«, sagte er, »aber ich kann nicht hören, was sie vorzieht, nicht zu sagen.«
»Also … wurdet ihr manipuliert. Und Aimaina hat recht, ihr dient wirklich einem höheren Wesen. Freiwillig? Oder werdet ihr dazu gezwungen?«
»Das ist eine blöde Frage, Mama«, sagte ihre Tochter, erneut rülpsend. »Wenn sie dazu gezwungen werden, wie könnten sie es dir dann sagen?«
»Menschen können genauso viel durch das sagen, was sie nicht sagen«, antwortete Grace, »was du wüßtest, wenn du dich hinsetzen und einen Blick auf die beredten Gesichter dieser verlogenen Besucher von anderen Planeten werfen würdest.«
»Sie ist kein höheres Wesen«, sagte Wang-mu. »Nicht so, wie Sie das meinen. Kein Gott. Obwohl sie über eine Menge Macht verfügt und eine Menge Dinge weiß. Aber sie ist nicht allmächtig oder so etwas, und sie weiß nicht alles, und manchmal irrt sie sich sogar, und ich bin mir auch nicht sicher, ob sie immer gut ist, also können wir sie nicht wirklich einen Gott nennen, da sie nicht vollkommen ist.«
Grace schüttelte den Kopf. »Ich sprach nicht von irgendeinem platonischen Gott, irgendeiner erdentrückten Vollkommenheit, die wir niemals verstehen, sondern nur wahrnehmen können. Nicht irgendein nizäisches paradoxes Wesen, dessen Existenz unaufhörlich von seiner Nichtexistenz bestritten wird. Euer höheres Wesen, diese Juwel-Freundin, die dein Partner wie einen Parasiten mit sich herumträgt – bloß, wer saugt wem das Leben aus, hä? – sie könnte durchaus ein Gott in dem Sinne sein, in dem wir Samoaner dieses Wort verwenden. Ihr könntet ihre Heldendiener sein. Nach allem, was ich weiß, könntet ihr sogar ihre Inkarnation sein.«
»Aber Sie sind Wissenschaftlerin«, sagte Wang-mu. »Wie mein Lehrer Han Fei-tzu, der entdeckt hat, daß das, was wir Götter zu nennen pflegten, in Wirklichkeit nur genetisch induzierte
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