Ender 4: Enders Kinder
erlosch.
»Was soll ich in dieser Sache unternehmen?« fragte Valentine. »Du hättest es meinem Double zeigen sollen, meiner jüngeren Zwillingsschwester. Du hättest Andrew aufwecken und es ihm zeigen sollen. Was hat das mit mir zu tun? Ich weiß, daß du weiterleben willst. Ich will, daß du weiterlebst. Aber wie kann ich irgend etwas tun?«
Flackernd erwachte Janes menschliches Gesicht über dem Terminal zu aufgeregtem Leben. »Ich weiß es nicht«, sagte sie. »Aber soeben ist der Befehl hinausgegangen. Sie haben begonnen, mich abzuschalten. Ich verliere Teile meines Gedächtnisses. Ich kann schon nicht mehr an so viele Dinge zugleich denken. Ich muß einen Ort haben, zu dem ich gehen kann, aber einen solchen Ort gibt es nicht, und selbst wenn es einen gäbe, würde ich den Weg nicht kennen.«
»Hast du Angst?« fragte Valentine.
»Ich weiß nicht«, sagte Jane. »Es wird Stunden dauern, denke ich, bis sie damit fertig sind, mich umzubringen. Wenn ich vor dem Ende herausfinde, wie ich mich fühle, werde ich es dir mitteilen, falls ich noch dazu in der Lage bin.« Valentine verbarg ihr Gesicht für einen langen Augenblick in ihren Händen. Dann stand sie auf und stürmte aus dem Haus.
Jakt sah sie gehen und schüttelte den Kopf. Vor Jahrzehnten, als Ender Trondheim verlassen hatte und Valentine dageblieben war, um ihn zu heiraten, um die Mutter seiner Kinder zu sein, hatte er sich darüber gefreut, wie glücklich und lebendig sie ohne die Bürde war, die Ender ihr stets aufgeladen und die sie stets unbewußt getragen hatte. Und dann hatte sie ihn gefragt, ob er mit ihr nach Lusitania kommen würde, und er hatte ja gesagt, und jetzt war es wieder so wie früher, jetzt sackte sie unter dem Gewicht von Enders Leben, von Enders Bedürfnis nach ihr, in sich zusammen. Jakt konnte deswegen nicht grollen – es war nicht so, als habe einer von ihnen es geplant oder willentlich herbeigeführt; es war nicht so, als versuche einer von ihnen, Jakt einen Teil seines Leben zu stehlen. Aber es tat trotzdem weh, sie unter dieser Bürde so niedergedrückt zu sehen und zu wissen, daß es trotz all seiner Liebe zu ihr nichts gab, was er tun konnte, um ihr dabei zu helfen, es zu tragen.
Miro stand Ela und Quara im Eingang des Sternenschiffes gegenüber. Drinnen wartete schon die junge Valentine, zusammen mit einem Pequenino namens Feuerlöscher und einer namenlosen Arbeiterin, die die Schwarmkönigin geschickt hatte.
»Jane stirbt«, sagte Miro. »Wir müssen jetzt aufbrechen. Wenn wir zu lange warten, wird sie nicht mehr über genügend Kapazität verfügen, um ein Sternenschiff loszuschicken.«
»Wie kannst du von uns verlangen zu gehen«, sagte Quara, »wenn wir bereits wissen, daß wir niemals zurückkommen werden, wenn Jane erst einmal gestorben ist? Wir werden nur so lange überleben, wie der Sauerstoff auf diesem Sternenschiff reicht. Ein paar Monate höchstens, und dann sterben wir.«
»Aber werden wir in der Zwischenzeit etwas zuwege gebracht haben?« sagte Miro. »Werden wir uns mit diesen Descoladores verständigt haben, diesen Außerirdischen, die planetenzerstörende Sonden ausgesandt haben? Werden wir sie überredet haben, damit aufzuhören? Werden wir alle Spezies, die wir kennen, und tausende und Millionen, die wir noch nicht kennen, vor einer schrecklichen, durch nichts aufzuhaltenden Seuche gerettet haben? Jane hat uns die besten Programme gegeben, die sie für uns erschaffen konnte, um uns zu helfen, mit ihnen zu sprechen. Ist das gut genug, um dein Meisterstück zu sein? Die Erfüllung deines Lebens?«
Seine ältere Schwester Ela sah ihn traurig an. »Ich dachte, ich hätte mein Meisterstück bereits abgeliefert, als ich den Virus erschuf, der die Descolada hier vernichtet hat.«
»Das hast du«, sagte er. »Du hast genug geleistet. Aber es gibt noch mehr zu tun, was nur du zu tun vermagst. Ich bitte dich, mit mir zu kommen und mit mir zu sterben, Ela, weil ohne dich mein eigener Tod sinnlos sein wird, weil ohne dich Val und ich nicht tun können, was getan werden muß.«
Weder Quara noch Ela rührten sich oder sprachen.
Miro nickte, dann wandte er sich um und trat ins Schiff. Aber bevor er die Tür schließen und luftdicht versiegeln konnte, folgten ihm die beiden Schwestern, die Arme einander um die Taille gelegt, wortlos nach drinnen.
Kapitel 8
›Es kommt nur darauf an, an welche Fiktion man glaubt‹
Mein Vater sagte mir einmal,
es gebe keine Götter,
nur die grausamen Manipulationen
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