Ender 4: Enders Kinder
Hälfte von sich selbst umgebracht hat. Wenn aber ihr Teil eures Lichtes in dein Gefäß überginge, würde er dich sanfter und liebenswürdiger machen, er würde dich zähmen und dich ganz machen. Deswegen ist es gut für dich, wenn du derjenige bist, der ganz wird und das andere Gefäß leer für die Göttin zurückläßt. Das ist es, worum Malu dich bittet. Darum ist er über das Wasser gekommen, um euch zu treffen, damit er dich bitten konnte, das zu tun.«
»Woher weiß er diese Dinge?« fragte Peter mit vor Qual verzerrter Stimme.
»Malu weiß diese Dinge, weil er gelernt hat, in der Dunkelheit zu sehen, wo die Stränge aus Licht von den sonnenumrankten Seelen aufsteigen, die Sterne berühren und sich gegenseitig berühren und sich schließlich zu einem Netz verweben, das viel stärker und weiter gespannt ist als das mechanische Netz, auf dem die Göttin tanzt. Er hat diese Göttin sein ganzes Leben lang beobachtet und versucht, ihren Tanz zu verstehen und warum sie so schnell dahineilt, daß sie jeden Strang in ihrem Netz, alle Billiarden Meilen, hundertmal in der Sekunde berührt. Sie eilt so rasch dahin, weil sie im falschen Netz gefangen worden ist. Sie ist in einem künstlichen Netz gefangen, und ihre Intelligenz ist an künstliche Gehirne gebunden, die Wirkungen anstelle von Ursachen denken, Zahlen anstelle von Geschichten. Sie sucht nach den lebendigen Verschlingungen und findet bloß die schwachen und dürftigen Verflechtungen von Maschinen, die von gottlosen Menschen abgeschaltet werden können. Aber wenn sie erst einmal in ein lebendiges Gefäß eintritt, wird sie die Macht haben, in das neue Netz hinauszuklettern, und dann kann sie tanzen, wenn sie das will, aber sie wird nicht tanzen müssen, sie wird auch fähig sein zu ruhen. Sie wird fähig sein zu träumen, und aus ihren Träumen wird Freude entstehen, denn sie hat nie Freude gekannt, außer wenn sie die Träume betrachtete, an die sie sich von ihrer Erschaffung her erinnert, die Träume, die in jenem menschlichen Geist zu finden waren, aus dem sie zum Teil gemacht ist.«
»Ender Wiggin«, sagte Peter.
Malu antwortete, bevor Grace übersetzen konnte.
»Andrew Wiggin«, sagte er. Es fiel ihm sichtlich schwer, den Namen zu artikulieren, denn er enthielt Laute, die in der samoanischen Sprache nicht benutzt werden. Dann sprach er wieder in einem Strom von Hochsprache, und Grace übersetzte.
»Der Sprecher für die Toten kam und sprach über das Leben eines Ungeheuers, das die Menschen von Tonga vergiftet und verdüstert hatte, und durch sie alle Menschen auf dieser Welt des Zukunftsträumens. Er trat in den Schatten, und aus dem Schatten machte er eine Fackel, die er hoch hinaufreckte, und sie stieg in den Himmel und wurde zu einem neuen Stern, der ein Licht warf, das nur in den Schatten des Todes fiel, wo es die Dunkelheit vertrieb und unsere Herzen läuterte, und der Haß und die Angst und die Scham waren fort. Dies ist der Träumer, aus dem die Träume der Göttin genommen wurden; sie waren stark genug, um ihr an dem Tag, als sie aus dem Außen kam und entlang des Netzes zu tanzen begann, das Leben zu schenken. Von ihm stammt das Licht, das zur Hälfte dich und zur Hälfte deine Schwester erfüllt, so daß er nur noch einen Tropfen Licht für sein eigenes zersprungenes Gefäß übrig hat. Er hat das Herz einer Göttin berührt, und das hat ihm große Macht gegeben – so konnte er euch erschaffen, als sie ihn hinausblies aus dem Universum des Lichts. Aber es hat ihn nicht zu einem Gott gemacht, und in seiner Einsamkeit konnte er nicht hinausgreifen und ein eigenes Licht für euch finden. Er konnte nur sein eigenes in euch hineingeben, und darum seid ihr nur zur Hälfte gefüllt und hungert nach der anderen Hälfte von euch selbst. Du und deine Schwester seid beide so hungrig, und er selbst ist aufgezehrt und zerbrochen, weil er nichts mehr hat, was er euch geben könnte. Aber die Göttin hat mehr als genug, die Göttin hat genug und im Überfluß, und das ist es, was euch zu sagen ich kam, und nun, da ich es euch gesagt habe, habe ich meine Aufgabe erfüllt.«
Bevor Grace auch nur anfangen konnte zu dolmetschen, war er schon dabei, sich zu erheben; sie stammelte immer noch ihre Übersetzung, als er unter dem Baldachin hervortrat. Augenblicklich zogen die Ruderer die Stangen, die das Dach trugen, heraus; Peter und Wang-mu blieb kaum genug Zeit, um hinauszutreten, bevor es zusammenbrach. Die Männer dieser Insel hielten Fackeln an den
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