Enders Schatten
Sohn ist«, sagte sie, »ja, dann kenne ich ihn. Er hat ein schweres Leben hinter sich, aber er hat ein gutes Herz, und er würde jeden Vater und jede Mutter stolz machen. Bitte fragen Sie nicht weiter. Ich habe schon zu viel verraten.«
»Kann ich es meiner Frau sagen?«, fragte Julian. »Was wäre schwerer für sie, es zu wissen oder es nicht zu wissen?«
»Frauen unterscheiden sich nicht so sehr von Männern. Sie haben es vorgezogen, es zu wissen.«
Julian nickte. »Ich weiÃ, dass Sie nur die Ãberbringerin der Nachrichten waren und nicht die Ursache unseres Verlusts. Aber wir werden uns an Ihren Besuch nicht gerne erinnern. Dennoch sollten Sie wissen, dass ich dankbar dafür bin, wie gütig Sie diesen schrecklichen Auftrag erledigt haben.«
Sie nickte. »Und Sie haben in einer schweren Stunde dennoch keinen Augenblick in Ihrer Freundlichkeit nachgelassen.«
Julian öffnete die Tür des Wagens. Sie setzte sich, schwang die Beine ins Innere. Aber bevor er die Tür schlieÃen konnte, fiel ihr eine letzte, sehr wichtige Frage ein.
»Julian, ich weiÃ, dass Sie als Nächstes eine Tochter haben möchten. Trotzdem, wenn Sie einen weiteren Sohn hätten bekommen wollen, wie hätten Sie ihn genannt?«
»Unser Erstgeborener wurde nach meinem Vater Nikolai genannt«, antwortete er. »Elena wollte einen zweiten Sohn nach mir benennen.«
»Julian Delphiki«, sagte Schwester Carlotta. »Wenn es sich wirklich um Ihren Sohn handelt, wird er sicher eines Tages stolz sein, den Namen seines Vaters zu tragen.«
»Welchen Namen benutzt er jetzt?«, fragte Julian.
»Das darf ich selbstverständlich nicht verraten.«
»Aber ⦠es ist doch sicher nicht Volescu?«
»Nein. Und was mich angeht, so wird er diesen Namen nie zu hören bekommen. Gott segne Sie, Julian Delphiki. Ich werde für Sie und für Ihre Frau beten.«
»Beten Sie auch für die Seelen unserer Kinder, Schwester.«
»Das habe ich bereits getan, und ich werde es weiter tun.«
Major Anderson sah den Jungen an, der ihm am Tisch gegenübersaÃ. »So wichtig ist die Sache wirklich nicht, Nikolai.«
»Ich dachte schon, ich würde vielleicht Ãrger bekommen.«
»Nein, nein. Uns ist nur aufgefallen, dass du ein besonders guter Freund von Bean bist. Er hat nicht viele Freunde.«
»Es hat nicht gerade geholfen, dass Dimak ihm schon im Shuttle eine Zielscheibe aufgemalt hat. Und jetzt hat Ender das Gleiche getan. Ich nehme an, Bean kann damit leben, aber so schlau er auch ist, er verärgert viele der anderen Kinder.«
»Und dich nicht?«
»Oh, mich verärgert er auch.«
»Aber dennoch bist du sein Freund.«
»Ich hatte es nicht vor. Ich hatte in der Frischlings-Unterkunft das Bett gegenüber.«
»Du hast mit einem anderen getauscht, um dieses Bett zu bekommen.«
»Tatsächlich? Oh! Hm.«
»Und du hast es getan, bevor du wusstest, wie gescheit Bean ist.«
»Dimak hat uns schon im Shuttle gesagt, dass Bean die besten Ergebnisse von uns allen hatte.«
»Wolltest du deshalb in seiner Nähe sein?«
Nikolai zuckte mit den Achseln.
»Nein, es war Freundlichkeit«, sagte Major Anderson. »Vielleicht bin ich ein alter Zyniker, aber wenn ich etwas so Unerklärliches sehe, werde ich neugierig.«
»Er sieht auf den Fotos irgendwie aus wie ich, als ich noch kleiner war. Ist das nicht dumm? Als ich ihn sah, dachte ich: Er sieht aus wie der niedliche, kleine Baby-Nikolai. So hat mich meine Mutter immer genannt, wenn sie mir die Baby-Bilder gezeigt hat. Ich habe sie nie wirklich als Bilder von mir betrachtet. Ich war der groÃe Nikolai. Das da war der niedliche, kleine Baby-Nikolai. Ich habe so getan, als wäre der Junge auf den Fotos mein kleiner Bruder und wir hätten nur zufällig den gleichen Namen. Der groÃe Nikolai und der niedliche, kleine Baby-Nikolai.«
»Ich sehe, dass du dich schämst, aber das brauchst du nicht. Was du getan hast, ist ein ganz natürliches Verhalten für ein Einzelkind.«
»Ich wollte einen Bruder.«
»Viele, die einen Bruder haben, wünschen sich, es wäre nicht so.«
»Aber der Bruder, den ich erfunden habe, ist prima mit mir ausgekommen.« Nikolai lachte über diese Absurdität.
»Und als du Bean gesehen hast, hat er dich an den Bruder erinnert, den du dir einmal vorgestellt hast.«
»Am
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