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Enders Schatten

Enders Schatten

Titel: Enders Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orson Scott Card
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zu sein. Nicht dumm zu sein war sein einziger Vorteil. Er loggte ein. Eine Botschaft erschien auf seinem Display.
    Komm sofort zu m ir – Ender
    Es waren nur noch zehn Minuten bis zum Licht-aus. Vielleicht hatte Wiggin die Botschaft vor drei Stunden geschickt. Aber lieber spät als nie. Er rutschte von seinem Bett, machte sich erst gar nicht die Mühe, Schuhe anzuziehen, und schlich auf Strümpfen in den Flur hinaus. Er klopfte an der Tür mit der Aufschrift:
    Kommandant
    DRACHENARMEE
    Â»Herein!«, sagte Wiggin.
    Bean öffnete die Tür und ging hinein. Wiggin sah müde aus, auf die gleiche Art, wie Colonel Graff für gewöhnlich müde aussah. Faltige Haut um die Augen, das ganze Gesicht schlaff, die Schultern hochgezogen, aber der Blick immer noch klar und wachsam. Nachdenklich. »Hab gerade deine Nachricht bekommen«, sagte Bean.
    Â»Gut.«
    Â»Es ist beinahe Licht-aus.«
    Â»Ich werde dir schon helfen, deinen Weg im Dunkeln zu finden.«
    Dieser Sarkasmus überraschte Bean. Wie gewöhnlich hatte Wiggin den Zweck von Beans Bemerkung vollkommen missverstanden. »Ich wusste einfach nicht, ob du wusstest, wie spät es ist.«
    Â»Ich weiß immer, wie spät es ist.«
    Bean seufzte innerlich. Es war ständig das Gleiche. Jedes Mal, wenn er ein Gespräch mit Wiggin führte, verwandelte sich das in irgendeine Art von Wettbewerb, den Bean stets verlor, selbst wenn es Wiggin war, dessen bewusstes Missverstehen den ganzen Ärger hervorrief. Bean konnte das nicht ausstehen. Er erkannte Wiggins Genie an und achtete ihn dafür. Warum konnte Wiggin nichts Gutes an Bean finden?
    Aber er schwieg. Er konnte ohnehin nichts sagen, was die Situation verbessern würde. Wiggin hatte ihn zu sich gerufen. Sollte Wiggin doch anfangen.
    Â»Erinnerst du dich, was vor vier Wochen war, Bean? Als du mir gesagt hast, ich solle dir einen Zug geben?«
    Â»Ahum.«
    Â»Seitdem habe ich fünf Zugführer und fünf Stellvertreter ernannt. Und du warst nicht darunter.« Bean zog die Brauen hoch. »Hatte ich recht?«
    Â»Ja, Sir, aber nur, weil du mir keine Chance gegeben hast, es den anderen zu zeigen, bevor du mit den Beförderungen begonnen hast.«
    Â»Dann sag mir, wie du in diesen acht Kämpfen zurechtgekommen bist.«
    Bean wollte ihn darauf hinweisen, dass seine Vorschläge für Crazy Tom den C-Zug wieder und wieder zum Effektivsten in der Armee gemacht hatten. Dass seine taktischen Neuerungen und kreativen Antworten in gegenwärtigen Situationen von den anderen Soldaten imitiert worden waren. Aber das wäre Prahlerei gewesen und hätte an Insubordination gegrenzt. So etwas würde ein Soldat, der Offizier werden wollte, öffentlich nie aussprechen. Crazy Tom hatte Ender entweder über Beans Beiträge Bericht erstattet oder nicht. Es stand Bean nicht zu, sich über etwas zu äußern, das nicht Gemeingut war. »Heute haben sie mich zum ersten Mal so früh kampfunfähig gemacht, aber der Computer behauptet, ich hätte elf Treffer erzielt, bevor ich aufhören musste. Bis dahin hatte ich bei jedem Kampf mindestens fünf Treffer. Und ich habe auch jeden Auftrag erledigt, den man mir zugeteilt hat.«
    Â»Warum haben sie dich so früh zum Soldaten gemacht, Bean?«
    Â»Ich war nicht jünger, als du es warst.« Das entsprach nicht ganz der Wahrheit, kam ihr jedoch nahe genug.
    Â»Aber warum?«
    Worauf wollte er hinaus? Es war eine Entscheidung der Lehrer gewesen. Hatte er herausgefunden, dass Bean die Liste für seine Armee aufgestellt hatte? Wusste er, dass Bean sich selbst aufgestellt hatte? »Ich weiß es nicht.«
    Â»Du weißt es. Und ich weiß es ebenfalls.«
    Nein, Wiggin wollte nicht wissen, warum man Bean zum Soldaten gemacht hatte. Er fragte danach, warum Frischlinge plötzlich so jung befördert wurden. »Ich habe versucht, Schlüsse zu ziehen, aber es sind nur Schlüsse.« Nicht, dass Beans Schlüsse je nur Schlüsse gewesen waren – aber bei Wiggin war das nicht anders. »Du bist … sehr gut. Sie wussten das und haben dich schneller befördert.«
    Â»Sag mir warum, Bean.«
    Und jetzt verstand Bean die Frage, die er eigentlich stellte. »Weil sie uns brauchen.«
    Er setzte sich auf den Boden und schaute nicht in Wiggins Gesicht, sondern sah seine Füße an. Bean wusste Dinge, die er nicht wissen sollte, und die Lehrer wussten nicht, dass er es

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