Enders Schatten
Es musste mit Pokes Tod zusammenhängen. Also unterbrach sie den Test und sprach mit ihm über den Tod und darüber, dass Pokes Seele nun im Kreise Gottes und der Heiligen weilte, die sich um sie kümmern und sie glücklicher machen würden, als sie es im Leben gewesen war. Das schien ihn nicht zu interessieren. Sofern überhaupt möglich, schnitt er in der nächsten Phase des Tests noch schlechter ab.
Nun gut, wenn Mitgefühl nicht fruchtete, würde vielleicht Strenge helfen.
»Verstehst du, wozu diese Prüfung dient, Bean?«, fragte sie.
»Nein«, meinte er, und sein Tonfall machte unmissverständlich klar, dass es ihm auch egal war.
»Du kennst nur das Leben auf der StraÃe. Aber die StraÃen von Rotterdam sind nur ein Teil einer groÃen Stadt, und Rotterdam ist nur eine Stadt in einer Welt von tausenden solcher Städte. Die gesamte Menschheit, Bean, darum geht es in diesem Test. Denn die Formics ⦠«
»Die Schaben«, sagte Bean. Wie die meisten StraÃenkinder hatte er für Euphemismen nur Hohn und Spott übrig.
»Sie werden zurückkehren. Alles menschliche Leben auf der Erde vernichten, jedes lebende Wesen. Dieser Test soll feststellen, ob du eins der Kinder bist, die in die Kampfschule gebracht und ausgebildet werden können, um später einer der Kommandanten der Streitkräfte zu sein, die versuchen sollen, die Formics aufzuhalten. In diesem Test geht es um die Rettung der Welt, Bean.«
Zum ersten Mal, seit sie mit dem Test begonnen hatten, wandte Bean ihr seine volle Aufmerksamkeit zu. »Wo ist die Kampfschule?«
»Auf einer Station in einer Umlaufbahn im Weltraum«, antwortete sie. »Wenn du bei diesem Test gut genug bist, wirst du ein Raumfahrer werden!«
Es gab keine kindliche Begeisterung in seiner Miene. Nur eiskalte Berechnung.
»Bis jetzt habe ich alles sehr schlecht gemacht, wie?«
»Nach den bisherigen Testergebnissen bist du zu dumm, um gleichzeitig zu atmen und zu laufen.«
»Kann ich noch mal von vorn anfangen?«
»Ja, ich habe noch eine andere Version der Tests«, sagte Schwester Carlotta.
»Also los.«
Als sie den Alternativtest hervorholte, lächelte sie ihn an, damit er sich wieder entspannte. »Möchtest du denn ein Raumfahrer werden? Oder ist es der Gedanke, zur Internationalen Flotte zu gehören?«
Er ignorierte sie.
Diesmal wurde er spielend mit allem fertig, selbst mit den Tests, die nicht dazu gedacht waren, in der vorgesehenen Zeit beendet zu werden. Seine Ergebnisse waren nicht perfekt, aber beinahe. Sie waren so gut, dass niemand es glauben würde.
Also gab sie ihm eine weitere Reihe von Prüfungsbögen, die für ältere Kinder entwickelt worden waren â tatsächlich waren es die Standardtests, die Sechsjährige erhielten, wenn man sie im normalen Alter für die Kampfschule in Betracht zog. Dabei schnitt er nicht so gut ab; ihm fehlten noch zu viele Erfahrungen, die er brauchen würde, um den Inhalt einiger Fragen verstehen zu können. Aber er war immer noch erstaunlich gut. Besser als jeder andere Schüler, den sie je geprüft hatte.
Zu denken, dass sie geglaubt hatte, es wäre Achilles, der Potenzial besaÃ! Dieser Knirps hier, dieses Kleinkind, war verblüffend. Niemand würde ihr glauben, dass sie ihn halb verhungert auf der StraÃe gefunden hatte.
Sie schöpfte einen Verdacht, und als die zweite Testreihe beendet war und sie die Ergebnisse aufgezeichnet und alles beiseitegeschoben hatte, lehnte sie sich zurück, lächelte den kleinen Bean an und fragte ihn: »Wessen Idee war diese Sache mit den Familien, die die StraÃenkinder entwickelt haben?«
»Achillesâ Idee«, sagte Bean.
Schwester Carlotta wartete.
»Zumindest war es seine Idee, es eine Familie zu nennen«, fuhr Bean fort.
Sie wartete immer noch. Der Stolz würde mehr an den Tag bringen, wenn sie dem Jungen Zeit lieÃ.
»Aber dass ein Schläger die Kleinen beschützen sollte, das war meine Idee«, erklärte Bean. »Ich habe es Poke gesagt, und sie hat darüber nachgedacht und beschlossen, es zu versuchen, aber sie hat einen Fehler gemacht.«
»Welcher Fehler war das?«
»Sie hat den falschen Schläger ausgewählt, um uns zu beschützen.«
»Du meinst, weil er sie nicht vor Odysseus beschützen konnte?«
Bean lachte verbittert, während Tränen ihm über die Wangen
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