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Enders Schatten

Enders Schatten

Titel: Enders Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orson Scott Card
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schlüpfte davon und lief die Posthoornstraat entlang.
    Aber er kehrte nicht in das Nest im Kriechkeller zurück, noch nicht. Obwohl er alle Antworten erhalten hatte, klopfte sein Herz immer noch zu rasch: Etwas stimmt nicht, hämmerte es, etwas stimmt nicht.
    Und dann fiel ihm ein, dass Poke nicht die Einzige war, die etwas vor ihm verbarg.
    Achilles hatte ebenfalls gelogen. Etwas verborgen. Einen Plan. War es nur um dieses Treffen mit Poke gegangen? Warum behauptete er dann, dass er sich vor Odysseus versteckte? Um Poke zu seinem Mädchen zu machen, brauchte er sich nicht zu verstecken. Er konnte es ganz offen tun. Ein paar von den älteren Schlägern hatten Mädchen. Aber für gewöhnlich gaben sie sich nicht mit Neunjährigen ab. Was verbarg Achilles?
    Â»Du hast es versprochen«, hatte Poke dort am Kai zu Achilles gesagt.
    Was hatte Achilles versprochen? Poke war also zu ihm gekommen – um ihn für ein Versprechen zu bezahlen? Aber was hatte er versprechen können, das er nicht schon der gesamten Familie versprochen hatte – und damit auch ihr? Achilles hatte keine Besitztümer.
    Folglich musste er versprochen haben, etwas nicht zu tun. Poke nicht umzubringen? Dann wäre es dümmer als dumm von ihr gewesen, allein zu Achilles zu gehen.
    Mich nicht umzubringen, dachte Bean. Das ist sein Versprechen. Mich nicht zu töten.
    Nur dass ich nicht derjenige bin, der in Gefahr schwebt, jedenfalls nicht in der größten Gefahr. Ich habe vielleicht gesagt, sie soll ihn umbringen, aber Poke war diejenige, die ihn umgeworfen hat, die sich über ihn gebeugt hat. Achilles muss dieses Bild immer noch vor Augen haben, die ganze Zeit muss er sich daran erinnern, muss davon träumen, wie er auf dem Boden gelegen hat und sich ein neunjähriges Mädchen über ihn beugte, mit einem Ziegel in der Hand, und drohte, ihn umzubringen. Ein Krüppel wie er, und irgendwie hatte er es in die Reihen der Schläger geschafft. Also war er zäh – aber er wurde stets von den Jungen mit zwei gesunden Beinen verspottet, war der Schläger mit dem geringsten Status. Und der schrecklichste Augenblick seines Lebens muss wohl gewesen sein, als ein neunjähriges Mädchen ihn umgeworfen hatte und ein Haufen kleiner Kinder sich über ihn beugte.
    Poke, dir gibt er die meiste Schuld. Du bist diejenige, die er zerschmettern muss, um diese quälende Erinnerung loszuwerden.
    Jetzt war es klar. Alles, was Achilles heute gesagt hatte, war eine Lüge gewesen. Er versteckte sich nicht vor Odysseus. Er würde seine Kraftprobe mit Odysseus haben, vielleicht morgen schon. Aber wenn er Odysseus gegenüberstand, würde Achilles einen erheblich größeren Groll haben. Du hast Poke umgebracht! Er würde die Anklage hinausschreien. Odysseus würde dumm und schwach aussehen, wenn er es nach all dem Geprahle darüber, dass er sich rächen würde, abstritt. Er würde vielleicht sogar zugeben, dass er sie umgebracht hatte, nur um der Prahlerei willen. Und dann würde Achilles zuschlagen, und niemand würde es ihm übelnehmen, wenn er Odysseus umbrachte. Es wäre nicht nur Selbstverteidigung, es wäre die Verteidigung seiner Familie.
    Achilles war verdammt schlau. Und geduldig. Er wartete damit, Poke zu töten, bis es jemanden gab, dem er es in die Schuhe schieben konnte.
    Bean rannte los, um sie zu warnen. So schnell seine kleinen Beine ihn trugen, mit den längsten Schritten, die er machen konnte. Er rannte eine Ewigkeit.
    Auf dem Kai, wo Poke sich mit Achilles getroffen hatte, war niemand mehr zu sehen.
    Bean schaute sich hilflos um. Er dachte daran zu rufen, aber das wäre dumm. Nur weil Achilles Poke am meisten hasste, hatte er Bean nicht verziehen, selbst wenn er sich von ihm Brot geben ließ.
    Oder vielleicht habe ich mir das auch alles nur eingeredet. Er hat sie schließlich umarmt, oder? Sie ist freiwillig zu ihm gekommen, oder? Es gibt Dinge zwischen Jungen und Mädchen, die ich einfach nicht verstehe. Achilles ist ein Versorger, ein Beschützer, kein Mörder. Es ist mein Kopf, der so funktioniert, mein Kopf, der daran denkt, jemanden zu töten, wenn er hilflos ist, nur weil er später einmal gefährlich werden könnte. Achilles ist der Gute. Ich bin der Böse, der Verbrecher.
    Achilles ist derjenige, der weiß, wie man liebt. Ich weiß es nicht.
    Bean ging zum Rand des Kais und schaute auf den Kanal hinaus. Nebel hing tief

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