Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Enders Schatten

Enders Schatten

Titel: Enders Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orson Scott Card
Vom Netzwerk:
verzweifelt. Aber sie wurden nicht alle zu kaltblütigen, berechnenden Mördern.
    Immer vorausgesetzt, Bean hatte recht.
    Aber sie zweifelte nicht daran, dass Bean ihr die Wahrheit sagte. Wenn Bean sie angelogen hatte, würde sie nie wieder versuchen, den Charakter von Kindern beurteilen zu wollen. Und als sie näher darüber nachdachte, fiel ihr auf, wie aalglatt Achilles war. Ein Schmeichler. Alles, was er sagte, war dazu gedacht zu beeindrucken. Aber Bean sagte wenig, und wenn er es tat, sprach er ganz offen aus, was er dachte. Und er war jung, und seine Angst und seine Trauer waren echt.
    Selbstverständlich hatte er auch darauf gedrängt, dass ein anderes Kind getötet werden sollte.
    Aber nur, weil Achilles eine Gefahr für andere darstellte. Nicht aus Stolz.
    Wie kann ich ihn dafür verurteilen? Soll nicht Jesus der Richter der Lebenden und der Toten sein? Warum ist dies mir zugefallen, wenn ich doch so ungeeignet bin, damit zurechtzukommen?
    Â»Möchtest du lieber hierbleiben, Bean, während ich die Testergebnisse zu den Leuten schicke, die die Entscheidung über die Kampfschule fällen? Du wärst hier sicher.«
    Er schaute auf seine Hände nieder und nickte, dann legte er den Kopf auf die Arme und schluchzte.
    Achilles kam am nächsten Morgen zurück ins Nest. »Ich konnte nicht wegbleiben«, sagte er. »Es könnte zu viel passieren.« Er brachte sie zum Frühstück wie immer. Aber Poke und Bean waren nicht da.
    Dann machte Sergeant seine Runden, lauschte hier und da, sprach mit anderen Kindern, sprach auch mit dem einen oder anderen Erwachsenen, fand heraus, was los war, alles, was nützlich sein könnte. Am Wijnhaven-Kai hörte er, wie ein paar Hafenarbeiter sich darüber unterhielten, dass an diesem Morgen eine Leiche im Fluss gefunden worden war. Ein kleines Mädchen. Sergeant fand heraus, wo die Leiche aufbewahrt wurde, bis die Experten eintrafen. Er schreckte nicht zurück, er ging direkt zu der Leiche unter der Plane, und ohne einen der Männer, die dort standen, um Erlaubnis zu fragen, zog er die Plane zurück und sah sich die Leiche an.
    Â»Was machst du denn da, Junge?«
    Â»Sie heißt Poke«, sagte er.
    Â»Du kennst sie? Weißt du, wer sie getötet haben könnte?«
    Â»Ein Junge namens Odysseus, der hat sie getötet«, sagte Sergeant. Dann ließ er die Plane fallen, und seine Runde war beendet. Achilles musste erfahren, dass seine Angst gerechtfertigt gewesen war, dass Odysseus tatsächlich vorhatte, jeden von der Familie zu töten, den er erwischen konnte.
    Â»Uns bleibt nichts anderes übrig, als ihn selbst umzubringen«, betonte Sergeant.
    Â»Es hat genug Blutvergießen gegeben«, sagte Achilles. »Aber ich fürchte, du hast recht.«
    Ein paar der kleineren Kinder weinten. Einer von ihnen jammerte: »Poke hat mir Essen gegeben, als ich am Verhungern war.«
    Â»Sei still«, fauchte Sergeant. »Wir essen jetzt besser als zu der Zeit, als Poke Boss war.«
    Achilles legte eine Hand auf Sergeants Arm, damit er schwieg. »Poke hat alles für euch getan, was ein Bandenboss tun kann. Und sie hat mich in die Familie gebracht. In gewisser Weise geht daher alles, was ich für euch erreicht habe, auf sie zurück.«
    Die Umstehenden nickten feierlich.
    Ein Kind fragte: »Denkst du, Odysseus hat auch Bean erwischt?«
    Â»Kein großer Verlust«, sagte Sergeant.
    Â»Jeder Verlust in meiner Familie ist ein großer Verlust«, sagte Achilles. »Aber so kann es nicht mehr weitergehen. Wenn Odysseus die Stadt jetzt nicht verlässt, ist er tot. Sorge dafür, dass sich das herumspricht, Sergeant. Jeder auf der Straße soll von der Herausforderung wissen. Odysseus wird in keiner Suppenküche der Stadt mehr etwas zu essen bekommen, bevor er sich mir nicht gestellt hat. Das hat er sich selbst eingebrockt, als er beschloss, Poke ein Messer ins Auge zu rammen.«
    Sergeant salutierte und rannte davon, ein Ausbund an Tüchtigkeit und Gehorsam.
    Nur, dass er im Laufen weinte. Er hatte niemandem gesagt, dass Pokes Auge eine blutige Wunde gewesen war. Vielleicht hatte Achilles es auf andere Weise erfahren, vielleicht hatte er es schon früher gehört und nur nicht erwähnt, bevor Sergeant mit der Nachricht nach Hause gekommen war. Vielleicht, vielleicht. Sergeant kannte die Wahrheit. Odysseus erhob gegen niemanden die Hand. Achilles schon. Genau, wie Bean sie am

Weitere Kostenlose Bücher