Enders Schatten

Bericht preist sie diesen Achilles an, und dieser Bean ist eher Nebensache. Dann ist Achilles verschwunden, er wird nicht mehr erwähnt – ist er gestorben? Hat sie nicht versucht, eine Beinoperation für ihn herauszuschlagen? Und jetzt ist ihr Kandidat ein Junge, der nach einem Gemüse benannt wurde.«
    Â»â€ºBean‹ ist der Name, den er sich selbst gegeben hat. Etwa so, wie ihr Andrew Wiggin sich selbst ›Ender‹ nennt.«
    Â»Er ist nicht mein Andrew Wiggin.«
    Â»Und Bean ist nicht Schwester Carlottas Kind. Wenn sie dazu neigen würde, die Ergebnisse zu verfälschen oder die Tests auf ungerechte Weise durchzuführen, hätte sie schon lange andere Schüler ins Programm gedrängt, und wir wüssten bereits, wie unzuverlässig sie ist. Aber sie hat so etwas nie getan. Sie sortiert die Kinder selbst aus, und wenn sie nicht für die Kommandoschule geeignet sind, findet sie einen Platz auf der Erde für sie, vielleicht in einem nichtmilitärischen Programm. Ich glaube, Sie sind einfach verärgert, weil Sie schon beschlossen hatten, alle Aufmerksamkeit und Energie auf diesen Wiggin-Jungen zu richten, und keine Ablenkung mehr wollen.«
    Â»Wann habe ich auf Ihrer Couch gelegen?«
    Â»Wenn meine Analyse falsch ist, bitte ich selbstverständlich um Verzeihung.«
    Â»Selbstverständlich werde ich diesem Kleinen eine Chance geben. Auch wenn ich die Testergebnisse keine Sekunde lang glaube.«
    Â»Nicht nur eine Chance. Fördern Sie ihn. Prüfen Sie ihn. Fordern Sie ihn heraus. Verhindern Sie, dass er sich auf die faule Haut legt.«
    Â»Sie unterschätzen unser Programm. Wir fördern all unsere Schüler und fordern sie auch.«
    Â»Aber manche sind gleicher als andere.«
    Â»Manche nutzen das Programm besser als andere.«
    Â»Ich freue mich schon darauf, Schwester Carlotta von Ihrer Begeisterung zu erzählen.«
    Schwester Carlotta vergoss Tränen, als sie Bean sagte, es sei Zeit zu gehen. Beans Augen blieben trocken.
    Â»Ich verstehe, dass du Angst hast, Bean, aber das brauchst du nicht«, sagte sie. »Du wirst dort in Sicherheit sein. Und es gibt so viel zu lernen. So, wie du Wissen aufsaugst, wirst du dort bald sehr glücklich sein. Also wirst du mich überhaupt nicht vermissen.«
    Bean blinzelte. Was hatte er getan, das sie glauben ließ, er hätte Angst? Oder er würde sie vermissen?
    Er empfand nichts dergleichen. Als er ihr begegnet war, war er vielleicht bereit gewesen, etwas für sie zu empfinden. Sie war freundlich. Sie ernährte ihn. Sie sorgte für seine Sicherheit, gab ihm ein Leben.
    Aber dann hatte er Pablo, den Hausmeister, gefunden, und Schwester Carlotta war gekommen und hatte Bean davon abgehalten, mit dem Mann zu reden, der ihn lange vor ihr gerettet hatte. Sie wollte ihm auch nichts davon sagen, was Pablo erzählt oder was sie über den »Sauberen Ort« erfahren hatte.
    Von diesem Augenblick an hatte er kein Vertrauen mehr zu ihr gehabt. Bean wusste, was immer Schwester Carlotta tat, sie tat es nicht seinetwegen. Sie benutzte ihn. Er wusste nicht, wozu. Es war vielleicht sogar etwas, was er ohnehin freiwillig getan hätte. Aber sie sagte ihm nicht die Wahrheit. Sie hatte Geheimnisse vor ihm. So, wie auch Achilles Geheimnisse gehabt hatte.
    Also hatte er sich in den Monaten, in denen sie ihn unterrichtete, mehr und mehr von ihr entfernt. Alles, was sie ihn gelehrt hatte, hatte er gelernt – und vieles zusätzlich. Er füllte jeden Test aus, den sie ihm gab, und war erfolgreich, aber er ließ sie nicht wissen, dass er mehr gelernt hatte, als sie ihm hatte beibringen wollen.
    Selbstverständlich war das Leben mit Schwester Carlotta besser als das Leben auf der Straße – er hatte nicht vor, dorthin zurückzukehren. Aber er traute ihr nicht. Er war die ganze Zeit wachsam. Er war so vorsichtig, wie er es in Achilles’ Familie gewesen war. Diese wenigen Tage am Anfang, als er vor ihr geweint hatte, als er sich hatte gehenlassen und ganz offen gesagt hatte, was er dachte – das war ein Fehler gewesen, den er nicht wiederholen würde. Er führte mit ihr ein besseres Leben, aber er war nicht in Sicherheit, und das hier war nicht sein Zuhause.
    Er wusste, dass ihre Tränen echt waren. Sie liebte ihn wirklich, und er würde ihr fehlen, wenn er erst fort war. Immerhin war er ein perfektes Kind gewesen, gehorsam, aufnahmefähig, willfährig. Für sie