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Enders Schatten

Enders Schatten

Titel: Enders Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orson Scott Card
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vorstellte und immer am Boden blieb, egal, wie schnell es sich drehte. In diesem Modell hingen die Leute auf der anderen Seite der Station zwar mit dem Kopf nach unten, aber das war ihm gleich. Wo immer er war, war unten, und auf diese Weise blieb unten unten und oben oben.
    Die Frischlinge befanden sich auf der gleichen Ebene wie die Messe, aber die älteren Kinder offenbar nicht, denn außer der Messe und der Küche gab es hier nur noch Unterrichtsräume und ungekennzeichnete Türen mit Handflächenscannern, die hoch genug angebracht waren, dass sie eindeutig nicht für Kinder gedacht sein konnten. Andere Kinder konnten diese Scannerflächen vielleicht trotzdem erreichen, aber selbst wenn Bean hochgesprungen wäre, hätte er keine Chance gehabt. Das war egal. Die Scanner würden ohnehin nicht auf die Handfläche eines Kindes reagieren, es sei denn damit, den Lehrern zu melden, dass das besagte Kind versucht hatte, einen Raum zu betreten, in dem es nichts zu suchen hatte.
    Gewohnheitsmäßig – oder war es Instinkt? – betrachtete Bean solche Blockaden nur als vorübergehende Hindernisse. In Rotterdam hatte er schon bald gelernt, wie man über Mauern kletterte und auf Dächer stieg. So klein er auch war, hatte er doch immer eine Möglichkeit gefunden, dorthin zu gelangen, wohin er wollte. Diese Türen würden ihn nicht aufhalten, wenn er zu dem Schluss kam, dass er dahinter schauen musste. Im Augenblick hatte er noch keine Ahnung, wie er das anfangen sollte, aber er bezweifelte nicht, dass er einen Weg finden würde. Also ärgerte ihn die ganze Sache nicht. Er speicherte die Information einfach nur und wartete, bis sich eine Möglichkeit finden ließ, sie zu nutzen.
    Alle paar Meter gab es eine Stange zum Runterrutschen oder eine Leiter zum Hochklettern. Um die Stange zur Sporthalle hinunterzurutschen, hatte er die Hand auf eine Scannerfläche legen müssen. Aber an den meisten Stangen hier schien es keine Scanner zu geben. Das war vernünftig. Die meisten Stangen und Leitern dienten einzig dem Wechseln zwischen den Stockwerken – nein, hier hießen sie Decks; das hier war die Internationale Flotte, und daher taten alle, als wären sie auf einem Schiff – , aber es gab nur eine einzige, die zur Sporthalle führte, und offenbar musste der Zugang geregelt werden, damit nicht zu viele Leute hereinkamen, wenn sie nicht dran waren. Sobald er das begriffen hatte, brauchte Bean nicht mehr darüber nachzudenken. Er kletterte eine Leiter hoch.
    Das nächste Stockwerk enthielt Unterkünfte für ältere Kinder. Die Türen lagen weiter auseinander, und auf jeder Tür prangte ein Wappen. Es war in den Farben der Uniformen gehalten, die sicherlich auch die Streifenfarben waren, obwohl die Älteren die Wände wohl nicht mehr benutzen mussten, um sich zurechtzufinden. Die Wappen hatten den Umriss eines Tieres. Einige erkannte Bean nicht, aber ein paar stellten Vögel, Katzen, einen Hund, einen Löwen dar. Was immer in Rotterdam auf Schildern benutzt worden war. Keine Tauben. Keine Fliegen. Nur edle Tiere oder solche, die für ihren Mut bekannt waren. Die Hundesilhouette sah aus wie die von einem Jagdhund, sehr schmal um die Hüften. Keine Promenadenmischung.
    Hier trafen sich also die Trupps, und sie hatten Tiersymbole, was bedeutete, dass sie sich wahrscheinlich bei Tiernamen nannten: Katzentrupp. Oder vielleicht Löwentrupp. Und vielleicht nicht einmal Trupp. Bean würde schon bald erfahren, wie sie sich nannten.
    Er schloss die Augen und versuchte, sich an die Farben und Abzeichen des Trupps zu erinnern, an dem sie vorhin im Flur vorbeigekommen waren – die Kinder, die sie verspottet hatten. Er konnte den Umriss vor seinem geistigen Auge sehen, fand ihn aber auf keiner dieser Türen wieder. Das spielte keine Rolle. Es war es nicht wert, den ganzen Flur entlangzugehen; das erhöhte nur das Risiko, dass man ihn erwischte.
    Noch ein Stockwerk nach oben. Mehr Unterkünfte, mehr Unterrichtsräume. Wie viele Kinder wohnten hier in einer Unterkunft? Die Station war größer, als er gedacht hatte.
    Ein leises Läuten erklang. Sofort wurden mehrere Türen aufgerissen, und Kinder kamen in den Flur hinaus. Eine Art Wachwechsel.
    Zunächst fühlte sich Bean unter den größeren Kindern sicherer, weil er glaubte, sich in der Menge verstecken zu können, wie er es in Rotterdam immer getan hatte. Aber diese

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