Enders Schatten
schicken unsere Flotte zu ihrer Heimatwelt und vernichten sie.«
»Was, wenn unsere und ihre Flotte in der Nacht aneinander vorbeizögen?«, fragte Dimak. »Wir würden gegenseitig unsere Welten zerstören, und dann hätten wir nur noch Schiffe.«
»Nein«, sagte Bean, dessen Gedanken sich mittlerweile überschlugen. »Nicht, wenn wir direkt nach dem Zweiten Schabenkrieg eine Flotte ausgeschickt hätten. Nachdem Mazer Rackhams StoÃtrupp die Schaben besiegt hatte, hätte es einige Zeit gedauert, bis deren Heimwelt von der Niederlage erfuhr. Also hätten wir nur so schnell wie möglich eine Flotte zu bauen brauchen und sie zu ihrer Heimatwelt schicken müssen. So hätte die Nachricht von ihrer Niederlage sie gleichzeitig mit unserem vernichtenden Gegenangriff erreicht.«
Dimak schloss die Augen. »Das sagst du uns jetzt!«
»Grundgütiger!«, entfuhr es Bean, als ihm dämmerte, dass er recht gehabt hatte. »Diese Flotte ist bereits auf dem Weg. Bevor irgendwer auf dieser Station zur Welt gekommen ist, war die Flotte bereits unterwegs.«
»Interessante Theorie«, versicherte Dimak. »Du hast selbstverständlich in jedem Punkt unrecht.«
»Nein, habe ich nicht«, sagte Bean. Er wusste, dass er nicht unrecht hatte. Dimaks vorgebliche Ruhe war unglaubwürdig. Schweià stand auf seiner Stirn. Bean hatte hier einen wahrhaft wunden Punkt getroffen, und Dimak wusste das.
»Sicher, deine Theorie über die Schwierigkeit einer Verteidigung im Weltraum stimmt. Aber so schwierig es auch sein mag, wir müssen es dennoch hinbekommen, und deshalb bist du hier. Was eine angeblich bereits gestartete Flotte angeht â der Zweite Schabenkrieg hat die Mittel der Menschheit erschöpft, Bean. Wir haben lange gebraucht, um eine einigermaÃen vernünftige Flotte aufzubauen. Und bessere Waffen für den nächsten Kampf zu haben. Du solltest gerade von Vauban gelernt haben, dass man nicht mehr bauen kann, als das Volk mit seinen Mitteln zu unterstützen vermag. AuÃerdem gehst du davon aus, dass wir wissen, wo sich die Heimatwelt des Feindes befindet. Aber deine Analyse ist trotzdem gut, denn du hast die GröÃenordnung des Problems, dem wir gegenüberstehen, richtig eingeschätzt.«
Dimak stand von dem Bett auf. »Es ist gut zu wissen, dass du deine Lernzeit nicht vollkommen damit verschwendest, ins Computersystem einzubrechen.«
Nach diesem letzten Schuss aus der Hüfte verlieà er die Unterkunft.
Bean stand auf und ging wieder zu seinem Bett, wo er sich anzog. Keine Zeit mehr zum Duschen, aber das spielte keine Rolle. Er wusste, dass er mit dem, was er zu Dimak gesagt hatte, einen Nerv getroffen hatte. Der Zweite Schabenkrieg hatte die Ressourcen der Menschheit nicht völlig erschöpft, da war Bean sicher. Die Probleme, einen Planeten zu verteidigen, konnten der IF unmöglich entgangen sein, besonders nicht nach einem beinahe verlorenen Krieg. Sie wussten, dass sie angreifen mussten. Sie hatten die Flotte gebaut. Sie hatten sie auf den Weg geschickt. Sie war unterwegs. Es war unvorstellbar, dass sie etwas anderes getan haben sollten.
Wozu diente also der ganze Unsinn mit der Kampfschule? Hatte Dimak recht und ging es dabei nur um eine Verteidigungsflotte, um das Abfangen eines Gegenangriffs, der unterwegs an der Invasionsflotte vorbeigekommen war?
Wenn das stimmte, gab es keinen Grund, es geheim zu halten. Keinen Grund zu lügen. Tatsächlich drehte sich die gesamte Propaganda auf der Erde darum, den Leuten zu erklären, wie überaus wichtig es war, sich auf die nächste Schaben-Invasion vorzubereiten. Und Dimak hatte gerade nichts anderes getan, als die Geschichte zu wiederholen, die die IF seit drei Generationen jedem auf der Erde erzählte. Und dabei hatte er geschwitzt wie ein Fisch. Was nahelegte, dass die Geschichte nicht stimmte.
Das Problem war, dass die Verteidigungsflotte um die Erde bereits vollständig bemannt war. Die normale Rekrutierung hätte dafür genügt. Ein Verteidigungskrieg brauchte keine Brillanz, nur Aufmerksamkeit. Frühe Entdeckung, vorsichtiges Abfangen, das Wahren einer angemessenen Reserve. Der Erfolg hing nicht von der Qualität der Kommandanten ab, sondern von der Quantität der zur Verfügung stehenden Schiffe und der Qualität der Waffen. Es gab keinen Grund für die Kampfschule â die Kampfschule war nur im Kontext eines Offensivkriegs
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