Enders Schatten
seinem Ruf der Brillanz Nikolai kein gröÃeres Kompliment machen konnte. Die Reaktion der anderen Kids in den Betten ringsum bewies das. Niemand hatte je zuvor ein solches Gespräch mit Bean geführt. Niemandem war je etwas eingefallen, das Bean nicht offensichtlich schon vorher gewusst hatte. Nikolai errötete vor Stolz.
»Aber das mit den neun Decks ergibt Sinn«, sagte er.
»Ich wünschte, ich wüsste, was sich dort befindet«, entgegnete Bean.
»Lebenserhaltungssysteme«, warf ein Mädchen namens Corn Moon ein. »Sie müssen hier irgendwo den Sauerstoff herstellen. Dazu braucht es viele Maschinen.«
Andere Kinder mischten sich ein. »Und Personal. Alles, was wir hier sehen, sind Lehrer und Ernährungsberater.«
»Und vielleicht haben sie die anderen Räder tatsächlich gebaut. Wir wissen es nicht.«
Die Spekulationen trieben die wildesten Blüten. Und in der Mitte all dessen: Bean.
Bean und sein neuer Freund Nikolai.
»Schluss jetzt«, sagte Nikolai. »Sonst kommen wir zu spät zu Mathe.«
Dritter Teil
GELEHRTER
9
Garten in Sofia
»Also hat er herausgefunden, wie viele Decks es gibt. Was kann er mit dieser Information anfangen?«
»Ja, das ist die Frage. Was hat er vor, dass er es für notwendig hielt, es herauszufinden? In der gesamten Geschichte der Schule hat niemand je danach gesucht.«
»Sie glauben, er plant einen Aufstand?«
»Wir wissen über diesen Jungen nur, dass er auf den StraÃen von Rotterdam überlebt hat. Das ist nach allem, was ich höre, ein höllischer Ort. Die Kinder dort sind ausgesprochen bösartig. Sie lassen den Herrn der Fliegen wie Pollyanna aussehen.«
»Wann haben Sie Pollyanna gelesen?«
»Es war ein Buch?«
»Wie kann er einen Aufstand planen? Er hat nicht einmal Freunde.«
»Ich habe nichts von einem Aufstand gesagt. Das ist Ihre Theorie.«
»Ich habe keine Theorie. Ich verstehe diesen Jungen nicht. Ich wollte ihn nicht mal hier oben haben. Ich finde, wir sollten ihn nach Hause schicken.«
»Nein.«
»Nein, Sir, wollten Sie sicher sagen.«
»Nach drei Monaten auf der Kampfschule hat er herausgefunden, dass ein Verteidigungskrieg sinnlos ist und dass wir direkt nach dem Ende des letzten Krieges eine Flotte zur Heimatwelt der Schaben geschickt haben müssen.«
» Das weià er? Und Sie machen sich Sorgen, weil er weiÃ, wie viele Decks es gibt?«
»Er weià es nicht. Er hat es erraten. Ich habe ihm gesagt, er hätte unrecht.«
»Sicher hat er Ihnen geglaubt.«
»Sicher zweifelt er daran.«
»Das ist nur noch ein Grund mehr, ihn zurück zur Erde zu schicken. Oder auf irgendeine abgelegene Basis. Ahnen Sie denn nicht, was für ein Alptraum es sein wird, wenn diese Sache ans Licht kommt?«
»Es hängt allein davon ab, wie er die Information nutzt.«
»Aber wir wissen nichts über ihn, also können wir auch nicht wissen, wie er sie nutzen wird.«
»Schwester Carlotta ⦠«
»Hassen Sie mich wirklich so sehr? Diese Frau ist noch undurchschaubarer als Ihr Zwerg.«
»Wir können einen Geist wie den von Bean nicht einfach wegwerfen, nur weil wir fürchten, es könnte zu einem Sicherheitsleck kommen.«
»Und wir können nicht eines einzigen besonders intelligenten Kindes wegen die Sicherheit aufs Spiel setzen.«
»Sind wir denn nicht klug genug, neue Schichten der Täuschung für ihn aufzutragen? Soll er doch etwas herausfinden, das er für die Wahrheit hält. Wir müssen uns nur eine Lüge einfallen lassen, die er uns glaubt.«
Schwester Carlotta saà dem alten Exilanten auf seiner Gartenterrasse gegenüber.
»Ich bin nur ein alter russischer Wissenschaftler, der die letzten Jahre seines Lebens an der Küste des Schwarzen Meeres verbringt.« Anton zog an seiner Zigarette, blies den Rauch über das Geländer und trug damit seinen Teil zu der Luftverschmutzung bei, die von Sofia aus übers Wasser zog.
»Ich habe hier keinerlei polizeiliche Autorität«, versicherte Schwester Carlotta.
»Sie sind viel gefährlicher. Sie kommen von der Flotte.«
»Sie sind nicht in Gefahr.«
»Das stimmt, aber nur, weil ich Ihnen nichts sagen werde.«
»Danke für Ihre Offenheit.«
»Sie wissen Offenheit zu schätzen, aber ich glaube nicht, dass es Ihnen gefallen würde, wenn ich Ihnen erzählte, welche
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