Enders Schatten

Aber jetzt hatte sich seine ganze Weltsicht geändert. Nun zählte es plötzlich, eine Verbindung zu den anderen herzustellen – nicht, damit er den Lehrern seine Führungsfähigkeiten beweisen konnte, sondern für die Zeit, wenn auf der Erde der Krieg ausbrach und der kleine Plan der IF scheiterte, wie es zweifellos geschehen würde. Dann würde er wissen müssen, wer seine Verbündeten und Feinde unter den Kommandanten der diversen nationalen und Fraktionsarmeen waren.
    Und der Plan der IF würde scheitern. Es war ein Wunder, dass er nicht schon gescheitert war. Er hing zu sehr davon ab, dass Millionen von Soldaten und Kommandanten der IF gegenüber loyaler waren als gegenüber ihrer Heimat. So etwas musste sich rächen. Die IF würde unvermeidlich in Fraktionen zerfallen.
    Die Ränkeschmiede waren sich dieser Gefahr sicherlich bewusst. Sie hatten ihre Anzahl so gering wie möglich gehalten – vielleicht nur das Triumvirat aus Hegemon, Strategos und Polemarch und ein paar Leute hier in der Kampfschule. Diese Station war das Herzstück des Plans. Hier hatten sie seit zwei Generationen jeden begabten Kommandanten aufs Genaueste unter die Lupe genommen. Es gab Berichte über sie alle – wer der Begabteste, wer der Verwundbarste war. Worin ihre Schwächen bestanden, sowohl charakterlich als auch fachlich. Wer ihre Freunde waren. Wo ihre Loyalität lag. Welche von ihnen daher eingesetzt werden sollten, um die Streitkräfte der IF bei den bevorstehenden Kriegen auf der Erde anzuführen. Und wem man das Kommando wegnehmen sollte, um ihn irgendwo festzusetzen, bis die Feindseligkeiten vorüber waren.
    Kein Wunder, dass sie sich wegen Beans Mangel an Teilnahme an ihrem kleinen Spiel Sorgen machten. Er wurde dadurch zu einer unbekannten Größe. Es machte ihn gefährlich.
    Nun war es für Bean noch gefährlicher denn je zu spielen. Nicht zu spielen, machte sie misstrauisch und nervös – aber was sie auch mit ihm vorhaben mochten, sie wussten nichts über ihn. Wenn er spielte, würden sie vielleicht weniger misstrauisch sein, aber wenn sie sich gegen ihn wandten, würden sie mit den Informationen aus dem Spiel arbeiten können. Und Bean war alles andere als überzeugt, dass er eine Chance hatte, das Spiel auszutricksen. Selbst wenn er versuchte, ihnen irreführende Ergebnisse zu liefern, könnte bereits diese Strategie ihnen mehr über ihn sagen, als er sie wissen lassen wollte.
    Aber es gab noch eine andere Möglichkeit. Er konnte sich auch vollkommen geirrt haben. Vielleicht gab es Schlüsselinformationen, über die er nicht verfügte. Vielleicht war wirklich keine Flotte aufgebrochen. Vielleicht hatten sie die Schaben auf ihrer Heimatwelt noch gar nicht besiegt. Vielleicht war dies tatsächlich nichts als ein verzweifelter Versuch, eine Verteidigungsflotte aufzustellen. Vielleicht, vielleicht, vielleicht.
    Bean brauchte mehr Informationen, um hoffen zu können, dass seine Analysen korrekt und seine Entscheidungen richtig waren. Und seine Isolation musste ein Ende finden.
    Â»Nikolai«, sagte er, »du würdest nicht glauben, was ich aus diesen Plänen herausgefunden habe. Wusstest du, dass es neun Decks gibt, nicht nur vier?«
    Â»Neun?«
    Â»Und das nur in diesem Rad. Es gibt zwei weitere Räder, von denen sie uns nichts gesagt haben.«
    Â»Aber die Fotos der Station zeigen nur das eine Rad.«
    Â»Diese Fotos wurde alle gemacht, als es nur ein einziges Rad gab. Aber auf den Plänen gibt es drei. Parallel, und sie drehen sich gemeinsam.«
    Nikolai sah ihn nachdenklich an. »Das sind nur Pläne. Vielleicht haben sie diese anderen Räder nie gebaut.«
    Â»Warum befinden sich die Pläne dann immer noch im Notfallsystem?«
    Nikolai lachte. »Mein Vater sagt immer, Bürokraten werfen nie etwas weg.«
    Selbstverständlich. Warum hatte er daran nicht gedacht? Das Notfallplansystem war zweifellos programmiert worden, bevor man das erste Rad auch nur in Betrieb genommen hatte. Also hatten sich diese Pläne bereits im System befunden, selbst wenn die anderen Räder nie gebaut worden waren, selbst wenn zwei Drittel der Pläne nie zu einem Flur gehören würden, auf dessen Wänden sie im Notfall erscheinen sollten. Niemand hätte sich die Mühe gemacht, ins System zu gehen und sie zu löschen.
    Â»Daran habe ich nicht gedacht«, gestand Bean. Er wusste, dass er bei