Enders Spiel
zählen konnte, dass einige der Geschwader richtig handelten, auch wenn er sie nicht dauernd überwachte.
Am Ende seines ersten Jahres gewann er jede Schlacht auf dem Simulator und spielte das Spiel, als sei die Maschine ein natürlicher Teil seines Körpers. Eines Tages, als er gerade eine Mahlzeit mit Graff einnahm, fragte er: »Ist das alles, was der Simulator kann?«
»Ist was alles?«
»Die Art, wie er jetzt arbeitet. Es ist einfach, und es ist schon seit einiger Zeit nicht mehr schwieriger geworden.«
»Ach.«
Graff wirkte desinteressiert. Aber andererseits wirkte Graff immer desinteressiert. Am nächsten Tag änderte sich alles. Graff verschwand, und an seiner Stelle gaben sie Ender einen Gefährten.
Er war im Zimmer, als Ender am Morgen aufwachte. Es war ein alter Mann, der mit gekreuzten Beinen auf dem Boden saÃ. Ender schaute ihn erwartungsvoll an, weil er darauf wartete, dass der Mann sprach. Er sagte nichts. Ender stand auf und duschte sich und zog sich an, bereit, den Mann sein Schweigen wahren zu lassen, wenn er es wünschte. Er hatte es längst gelernt: Wenn etwas Ungewöhnliches vorging, etwas, das Teil eines fremden Planes und nicht seines eigenen war, konnte er mehr Informationen bekommen, wenn er wartete, als wenn er fragte. Erwachsene verloren die Geduld stets früher als Ender.
Der Mann hatte immer noch nicht gesprochen, als Ender fertig war und zur Tür ging, um den Raum zu verlassen. Die Tür öffnete sich nicht. Ender drehte sich um, um den auf dem Boden sitzenden Mann anzusehen. Er sah wie ungefähr sechzig aus, bei weitem der älteste Mann, dem Ender auf Eros begegnet war. Er hatte einen weiÃen Eintagebart auf den Wangen, der sein Gesicht nur etwas weniger grau als sein ganz kurz geschnittenes Haar erscheinen lieÃ. Sein Gesicht hing ein bisschen, und seine Augen waren von Falten und Runzeln umgeben. Er sah Ender mit einem Gesichtsausdruck an, der von völliger Teilnahmslosigkeit zeugte.
Ender wandte sich wieder der Tür zu und versuchte erneut, sie zu öffnen. »Na schön«, sagte er resignierend. »Warum ist die Tür abgeschlossen?«
Der alte Mann schaute ihn weiter ausdruckslos an.
Also ist dies ein Spiel, dachte Ender. Nun, wenn sie wollen, dass ich zum Unterricht gehe, werden sie die Tür sicher aufschlieÃen. Wenn nicht, dann nicht. Mir ist es egal.
Ender mochte Spiele nicht, bei denen die Regeln beliebig sein konnten und das Spielziel nur ihnen bekannt war. Also würde er nicht mitspielen. Er weigerte sich auch, wütend zu werden. Er absolvierte eine Entspannungsübung, während er an der Tür lehnte, und bald war er wieder ruhig und gelassen. Der alte Mann fuhr fort, ihn unbewegt anzuschauen.
Stunden schienen so zu vergehen, während Ender sich weigerte zu sprechen und der alte Mann geistlos und stumm dasaÃ. Manchmal fragte sich Ender, ob er geisteskrank war, entflohen aus irgendeiner inneren Abteilung irgendwo auf Eros, und hier in Enders Zimmer seine verrückte Fantasie auslebte. Aber je mehr Zeit verstrich, ohne dass jemand zur Tür kam, ohne dass jemand nach ihm suchte, desto sicherer wurde er, dass dies irgendetwas Vorsätzliches war, dazu gedacht, ihn aus der Fassung zu bringen. Ender wollte nicht dem alten Mann den Sieg überlassen. Um sich die Zeit zu vertreiben, begann er, Leibesübungen zu machen. Manche waren ohne die Ausrüstung der Turnhalle nicht möglich, aber andere, besonders aus seinem Selbstverteidigungskurs, konnte er ohne jegliche Hilfsmittel durchführen.
Die Leibesübungen führten ihn im ganzen Raum umher. Er übte Ausfälle und Tritte. Ein Schritt brachte ihn in die Nähe des alten Mannes, so wie schon zuvor, aber diesmal schoss die alte Klaue vor und packte Enders linkes Bein mitten in einem Tritt. Er riss Ender von den FüÃen und brachte ihn zu Fall.
Sofort sprang Ender auf die FüÃe, wütend. Der alte Mann saà ruhig, mit gekreuzten Beinen da, nicht schwer atmend, so, als hätte er sich überhaupt nicht bewegt. Angriffsbereit ausbalanciert stand Ender da, aber die Reglosigkeit des anderen machte es ihm unmöglich anzugreifen. Was sollte er denn tun, dem alten Mann den Kopf wegtreten? Und es dann Graff erklären: Ach, der alte Mann hat mich getreten, und ich musste es ihm heimzahlen.
Er machte sich wieder an seine Ãbungen; der alte Mann sah weiter zu.
SchlieÃlich, müde und wütend angesichts
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