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Enders

Enders

Titel: Enders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lissa Price
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es merkte, war sein Arm von meiner Schulter geglitten, und er hielt meine Hand. Die Berührung war nach dem groben Herumschubsen durch die Wachen warm und tröstlich. So und nicht anders sollten Menschen miteinander umgehen.
    Tränen stiegen mir in die Augen, aber ich drängte sie zurück. Dies hier war weder der Ort noch die Zeit, um meinen Gefühlen freien Lauf zu lassen. Ich durfte jetzt nicht weich werden. Dafür stand zu viel auf dem Spiel.
    Ich ließ seine Hand los und stand auf.
    »Das dauert ja ewig«, sagte ich. »Müssten sie nicht allmählich zu einem Ende kommen?«
    Ich warf einen Blick zu Hyden hinüber. Er ging wie ein gefangenes Raubtier auf und ab.
    Es war unverkennbar, dass er Höllenqualen litt. Auch Michael verstand, was in ihm vorging, und er nickte mir zu.
    Ich durchquerte den Raum und legte Hyden – ohne seine Haut zu berühren – eine Hand ganz leicht auf seinen Hemdkragen. Es war eine kurze freundschaftliche Geste.
    Er akzeptierte sie, ohne zurückzuweichen. Aber ich las in seinen Augen, was er empfand. Erst Angst. Dann Erleichterung.
    »Weißt du, wie lange sich dieser Eingriff noch hinzieht?«, fragte ich.
    Er schüttelte stumm den Kopf.
    »Lässt du den Chip entfernen?«
    Er sah mich an, als hätte ich den Verstand verloren. »Das wäre Selbstmord. Natürlich nicht. Und auch du solltest auf gar keinen Fall in diese Operation einwilligen.«
    »Es ist der einzige Weg, einem Leben als Marionette zu entkommen. Falls sie es schaffen, mich von diesem Ding zu befreien.«
    »Ich weiß nicht, wer diese Leute sind, aber ich halte weniger von ihrem Können als du und würde das Risiko nicht eingehen. Wir müssen einen Weg finden, von hier zu fliehen.«
    »Wie stellst du dir das vor? Sie haben Wachtposten. Und die sind bewaffnet.«
    »Bist du schon mal aus einem Gefängnis entkommen?«
    »Ja. Ich war im Institut 37 eingesperrt.«
    »Dort geht es brutal zu.«
    Ein Ender-Posten lehnte an der gegenüberliegenden Wand und starrte uns mit eisiger Miene an.
    »Hier ebenfalls«, sagte ich.
    »Ich weiß.« Er schaute sich um und raunte: »Sie unterhielten sich über meinen Vater und ein geplantes Gipfeltreffen.«
    »Was sagten sie genau?« Ich senkte meine Stimme ebenfalls zu einem Flüstern.
    »Sie bestätigten nur, was mir bereits zu Ohren gekommen war. Einige unserer Gegner – zum Teil Vertreter feindlicher Staaten, zum Teil die Anführer dubioser Gruppen – versammeln sich im Labor meines Vaters. Er beabsichtigt, die Chip-Technologie meistbietend zu verkaufen, zusammen mit den Metallos, die er entführt hat.«
    Ich presste eine Hand auf meinen Bauch. »Das ist ja entsetzlich. Nicht nur für die Kids, sondern für das ganze Land.«
    »Aber typisch für meinen Vater.«
    Ich wollte ihm noch mehr Fragen stellen, als uns ein lauter Knall unterbrach.
    Eine Explosion.

kapitel 19 Hyden, Michael und ich stürmten in Richtung des Lärms. Der Wachtposten schaffte es als Erster zur Tür. Wir rannten durch einen Gang, vorbei an ungestört friedvollen Wasserfall-Projektionen. Aus den Räumen entlang des Korridors strömten Enders, die uns folgten.
    Eine dichte Menschentraube verstopfte den Eingang zu einem Raum am Ende des Korridors. Aufgeregte Stimmen, Verwirrung und ein beißender, chemischer Brandgeruch schlugen mir entgegen.
    Ein Mann schrie vor Schmerzen. Ich kämpfte mich zum Eingang durch. Da ich nicht über die Köpfe der hochgewachsenen Enders hinwegsehen konnte, bückte ich mich und schielte an ihren Beinen vorbei. Ein Ender saß auf dem Boden. Es war der Doktor. Er presste einen wild zuckenden Arm an den Körper. Seine Hand war verbrannt und der Arm bis an den Ellbogen geschwärzt. Seine Schreie verebbten zu einem dumpfen Stöhnen, doch dann begann er von Neuem schrill zu wimmern. Die Härchen an meinen Armen richteten sich auf. Die Schmerzen des Doktors mussten unerträglich sein.
    Jemand rief: »Holt einen Arzt!«
    »Das ist er selbst«, sagte ein Ender-Wachtposten.
    Emma lag auf dem Operationstisch. Bevor ich zu ihr gelangen konnte, deckte jemand ihren Kopf und Körper mit einem Laken zu. Man sah nur noch ihre Füße mit dem Goldkettchen am Knöchel, das ihren Namenszug trug.
    – EMMA –
    Mein Herz begann zu rasen, während mein Gehirn noch die Puzzleteile zusammensetzte … Sie deckten Emmas Kopf … mit einem Laken zu … deckten ihr Gesicht zu …
    Ich versuchte das Stimmengewirr zu übertönen. »Was ist geschehen?«
    Dawson erschien hinter uns am Eingang. Die Umstehenden machten eine Gasse für

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