Endless: Roman (German Edition)
gleich auf.«
»Vielleicht sollte ich besser weglaufen«, sagte Alaric. »So wie du in der Nacht des Exorzismus in Vidigal.«
Mauricio lachte leise. »Du hast recht, das war nicht einer meiner besten Momente. Taufen, Kommunion, Messen … all das ist leicht vorzutäuschen. Aber die dunkle Bestie aus der Seele eines Kindes vertreiben? Wie hätte
ich das tun sollen … vor allem, wo doch die dunkle Bestie mein Herr ist? Du hättest sofort gemerkt, dass etwas nicht stimmt. Ich hatte keine andere Wahl als wegzulaufen.«
»Falsch gedacht«, sagte Alaric. »Ich habe so oder so gemerkt, dass etwas nicht stimmt.«
»Ich weiß. Ich hätte dich in jener Nacht besser getötet.«
»Ich hätte dich besser getötet in jener Nacht.«
»Klar. Aber jetzt sind wir hier. Du weißt, dass es nicht so sein muss. Es hat Vorteile, in meinem Team zu sein. Du könntest ein sehr angenehmes Leben führen, wenn du …«
»Versuch bitte nicht, mich mit all dem Vatikangold zu locken, mit dem du mich überschütten willst«, unterbrach Alaric ihn gelangweilt. »Ich bin schon reich genug, und du lebst hinter dem Mond. Der Vatikan fährt seit Jahren ein Defizit ein.«
»Das habe ich gar nicht gemeint«, sagte Mauricio. »Ich kann hören, dass du Schmerzen hast. Ich höre es an deiner Stimme. Du bist müde, und du fühlst dich sicher schwach wegen des Rauchs in deinen Lungen. Stell dir ein Leben vor, in dem du nie wieder Schwäche oder Schmerzen empfindest, nie einen Tag älter wirst und dazu noch übermenschliche Kräfte hast. Denk doch, wie nützlich diese Fähigkeiten beim Kampf gegen deine Feinde wären.«
»Du bist mein Feind«, erwiderte Alaric.
»Bin ich das?«, konterte Mauricio. »Ich habe mir die Freiheit genommen, mir deine Personalakte anzuschauen, Alaric, und ich glaube, ich weiß, wer wirklich dein Feind ist. Das bin nicht ich und auch sonst kein Vampir. Es ist dein Vater, nicht wahr, Alaric? Der Mann, der dich
als Baby verlassen hat. Wäre deine Rache an ihm nicht viel glorreicher, wenn du ein Vampir würdest?«
»Warum kapiert das eigentlich keiner?«, fragte Alaric echt frustriert. »Ich kann Vampire nicht ausstehen.«
Er erhob sich und schoss die Pfeile ab. Wegen des Rauchs sah er noch nicht einmal, wohin er zielte.
Aber er hatte der Stimme des Vampirs gelauscht und das rote Glühen in seinen Augen gesehen. Die Armbrust schoss einen Pfeil nach dem anderen ab, weil sie eine automatische Auslösung hatte. Wenigstens einer davon musste treffen.
Dann sah er plötzlich einen Fuß aus dem Rauch auftauchen. Instinktiv wich er zurück.
Es stellte sich heraus, dass die schattenhafte Gestalt von sämtlichen Pfeilen getroffen worden war … jeder einzelne steckte an der Stelle, wo normalerweise Mauricios Herz gewesen wäre.
Und doch war er nicht tot. Er kam auf Alaric zu. Ein winziges Lächeln umspielte seine Lippen.
»Eins muss ich dir lassen, Wulf«, sagte Mauricio. »Du gibst nicht leicht auf. Das gefällt mir an dir. Deshalb wärst du ein solcher Gewinn für mein Team.«
»Wie …?« Alaric war fassungslos. »Wie ist das möglich? Du müsstest tot sein. Alle diese Pfeile haben dich ins Herz getroffen.«
»Ich weiß.« Bruder Henrique zuckte mit den Schultern. »Ich kann jedoch nur auf eine Art getötet werden. Und die hast du noch nicht herausgefunden. Na komm, lass uns darüber reden, wo du das Buch versteckt hast.«
39
Ich weiß nicht, ob das so eine gute Idee ist. Abrahams Worte hallten durch Meenas Kopf. Eigentlich hatte sie es die ganze Zeit über gewusst.
Sie konnte Lucien nicht trauen. Ein Teil von ihr würde ihn immer lieben, aber sie wusste, dass sie ihm nie trauen konnte … vor allem nicht, wenn es um so etwas Wichtiges ging wie Alarics Leben. Und vor allem nicht jetzt, wo Lucien ständig vom Mannette redete. Etwas an diesem Ort hatte in ihr das Gegenteil des Gefühls erzeugt, das sie in ihrem Traum gespürt hatte.
Und daher rannte sie hinter ihm her die Treppe hinauf.
Allerdings konnte sie nicht wirklich etwas ausrichten. In der Eile hatte sie ihre Tasche vergessen, in der sich die Pflöcke, das Weihwasser und der SuperStaker befanden. Sie hatte sie neben Abraham auf die Bank gestellt.
Kurz bevor Lucien die Tür erreichte, traten Alaric und Bruder Henrique aus dem Gebäude heraus. Sie sahen bizarr aus.
Alaric trug weder ein Hemd noch Schuhe und hatte eine Armbrust umgeschnallt. Bruder Henrique, in einem fließenden Priestergewand, das früher vielleicht einmal weiß gewesen war, rangelte mit ihm,
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