Endless: Roman (German Edition)
zur Hölle fahren.
Doch mit Lucien war alles anders. Lucien hatte von Anfang an von Liebe geredet.
Klar, er hatte keine Seele. Und er war fünfhundert Jahre alt und der Sohn des größten Serienkillers aller Zeiten, der einen Pakt mit dem Teufel geschlossen hatte, um Unsterblichkeit zu erlangen und deshalb menschliches Blut brauchte, um leben zu können.
Und natürlich, ihre Beziehung war in Rekordzeit zu einer absoluten Katastrophe geworden, weil er nicht aufgehört hatte, sie zu beißen. Und dann hatten sich auch noch die anderen Mitglieder seiner Familie über sie hergemacht. Und jetzt schienen Vampire auf der ganzen Welt Meenas Blut für einen Erfrischungsdrink zu halten.
Aber trotzdem. Er hatte nie aufgehört, sie zu lieben.
»Ich glaube wirklich nicht«, sagte Meena, der bewusst war, dass die Beleuchtung im Zimmer viel zu gedämpft war – man konnte sie fast schon als romantisch bezeichnen –, weil nur die kleine Nachttischlampe brannte, »dass dies die richtige Zeit oder der richtige Ort ist, um darüber zu sprechen.« Obwohl sie am liebsten immer weiter darüber sprechen würde. »Mit dir stimmt offensichtlich etwas nicht, und du solltest es mir sagen, damit ich versuchen kann, dir zu helfen.«
Doch Lucien schüttelte nur den Kopf.
»Ich habe dir ja gesagt, dass ich dich bis ans Ende aller Zeiten lieben werde«, versicherte er ihr und zog seine unwiderstehlichen Mundwinkel hoch. Allerdings wohl nicht, weil er die Situation für komisch hielt, sondern mehr aus Traurigkeit … aber auf eine amüsierte Art. »Und jemand, der wahrscheinlich so lange leben wird, sagt so etwas nicht leichtfertig. Ich liebe dich seit dieser schrecklichen Dinnerparty in der Wohnung meines Cousins. Danach sind wir ins Metropolitan Museum of Art gegangen, und du hast mir dein Lieblingsgemälde gezeigt, das von Jeanne d’Arc. Jetzt, mit dieser Frisur, siehst du noch mehr so aus wie sie. Auch wenn ich nicht ganz sicher bin, was das für eine Farbe sein soll …«
Instinktiv zupfte Meena an einer ihrer Haarlocken. Ihre beste Freundin Leisha, die bestbezahlte Stylistin im N.M.T. (nur mit Termin) Salon, hatte ihr erlaubt, ihren Pixie-Schnitt herauswachsen zu lassen, aber nur unter der Bedingung, dass sie dann mit Farbe experimentieren dürfte. Meena hatte nun jeden Monat eine andere Haarfarbe.
Aber darunter war sie immer noch dieselbe Person, die
sie an dem Tag gewesen war, als sie Lucien kennengelernt hatte.
Und sie wusste, dass außer ihr niemand glaubte, dass er sich verändert haben könnte.
Niemand außer ihr, weil sie immer hinter seine Fassade geblickt hatte.
»Du bist ganz anders als die anderen Frauen, die ich kenne«, sagte er gerade und blickte sie aufmerksam an. »Ich habe es anfangs nicht geglaubt, aber du schienst es wirklich ernst zu meinen, als du sagtest, du wolltest die Menschheit vor Geschöpfen wie mir retten, und nichts würde dich daran hindern. Und du hattest recht. Du bist wundervoll. Das weißt du, nicht wahr?«
Wundervoll? Sie war wundervoll? Nie zuvor hatte sie jemand als wundervoll bezeichnet. Merkwürdig, ja. Ein bisschen bescheuert, oft. Verrückt, viele Male.
Aber wundervoll nie. Sie konnte es kaum glauben. Und Lucien erinnerte sich sogar an ihr Gespräch im Metropolitan Museum of Art vor dem Gemälde von Jeanne d’Arc, ihrem Lieblingsbild, weil Johanna von Orléans Voraussagen machte, die zuerst niemand glaubte. Bald jedoch überzeugte sie so viele Leute von der Wahrheit, dass sie eine Audienz beim König bekam und schließlich sogar ihre eigene Armee.
Und doch war dies wohl kaum ein Gespräch gewesen, an das sich jemand erinnern würde, der schon ein halbes Jahrtausend auf der Welt war.
Aber er hatte sich daran erinnert.
Anscheinend merkte Lucien, dass seine Enthüllung sie sprachlos gemacht hatte, und legte seine Hand über ihre.
»Du hast allen Grund, mich zu verachten«, sagte er mit wehmütigem Lächeln. »Du hast ja schon darauf hingewiesen, dass ich dein Leben – und das Leben aller Menschen, die du liebst – nicht nur in Gefahr gebracht, sondern tatsächlich ruiniert habe. Es vergeht kein Augenblick, in dem ich mir dieser Tatsache nicht bewusst bin. Ich wünsche mir so sehr, ich könnte das alles rückgängig machen, könnte die Leben wieder zurückbringen, die mein Vater und mein Halbbruder genommen haben, bevor sie endlich aufgehalten wurden. Und ich will dich auf keinen Fall erneut in Gefahr bringen. Aber ich habe das Gefühl, das ist bereits geschehen. Deshalb
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