Endless: Roman (German Edition)
einer
Schutzhaube. Leider kann ich sie nicht lange aufrechterhalten, aber es sollte reichen, bis ich dich zu deiner Wohnung gebracht habe. Dort müsstest du sicher sein, wenn du die üblichen Sicherheitsmaßnahmen gegen unerwünschten Dämonenbesuch getroffen hast.«
Eine Mischung verschiedenster Emotionen überflutete sie. Und auf einmal merkte sie, dass sie gerade in ihre Straße einbogen.
»Lucien«, sagte sie und blieb abrupt stehen, »woher weißt du, wo ich wohne?«
Sie war so vorsichtig gewesen. Nachdem seine Untertanen ihre Wohnung verwüstet hatten, war sie in das Pfarrhaus der Kirche der heiligen Klara gezogen, und sie war so vorsichtig gewesen, als sie von dort in ihre neue Wohnung gegangen war. Ihre Post wurde an ein Postfach geschickt, sie hatte ihren alten Handyvertrag gekündigt, ihre Mitgliedschaft im Fitness-Studio, ja, sogar ihren Bibliotheksausweis abgegeben. Sie hatte ihre alte Wohnung verkauft und teilte sich nun eine Wohnung zur Untermiete mit ihrem Bruder. Sogar die Fernsehrechnung lief auf den Namen des ursprünglichen Eigentümers.
Woher konnte er es also wissen?
Andererseits … wieso nicht?
Es machte ihr keine Angst, jedenfalls nicht so viel Angst, wie sie gerade noch gehabt hatte. Und um ihr Leben fürchtete sie auch nicht. Sie brauchte nur einen Knopf zu drücken, und innerhalb weniger Minuten würde die gesamte Manhattan-Einheit der Geheimen Garde bei ihr sein.
Allerdings konnte sie in dieser Zeit natürlich schon längst tot sein.
Aber auch vor dem Sterben hatte sie keine große Angst mehr. Nicht mehr.
»Meena«, sagte er ernst, »was du darüber gesagt hast, dass ich mich verändert habe …«
Es kostete ihn offensichtlich Mühe, die Worte auszusprechen. Und jetzt wurde ihr auch klar, was sie vorher in seinem Gesichtsausdruck nicht identifizieren konnte. Es war tatsächlich Schmerz. Er hatte sich tief unter seinen Augen eingegraben.
»Das ist vermutlich Teil meines Problems«, erklärte er.
Verwirrt legte sie den Kopf schräg.
»Was?«, fragte sie.
Taumelnd trat er einen Schritt auf sie zu. Aber er war nicht betrunken wie der Junge, der sie angerempelt hatte. Sein Körper lehnte sich schwer gegen ihren.
»Trotz deiner Entscheidung im letzten Frühjahr«, flüsterte er, »sind meine Gefühle für dich unverändert. Ich liebe dich noch so wie eh und je.«
5
Alles war eine Katastrophe.
An einem einzigen Abend hatte Meena nicht nur ihren Exfreund erschlagen, der sich als Vampir entpuppt hatte, sondern sie lag auch noch mit einem im Bett.
Sie konnte sich kaum vorstellen, was denn noch Schlimmeres passieren könnte, es sei denn, ihr Bruder käme überraschend herein, fände Lucien Antonescu in ihrem Bett und würde Alaric Wulf rufen, der zweifellos mit Rauchgranaten und Tränengas einen militärischen Angriff in ihrer Wohnung inszenieren würde.
Doch sie hatte bereits mit Jon telefoniert und erfahren, dass er wie immer freitagabends in der Beanery arbeitete, wo er als Barista angestellt war. Vor elf würde er nicht nach Hause kommen.
Meena hatte noch genau eine Stunde Zeit, um Lucien aus der Wohnung zu entfernen.
Die Frage war nur, wie sie das tun sollte.
Sie hatte keine Ahnung, was mit Lucien los war. Seine Erklärung, dass er sie immer noch liebte, hatte die Dinge nicht besser gemacht. Dadurch schien er nur noch schwächer geworden zu sein, und sie musste ihn die letzten Schritte bis zu ihrem Haus stützen.
Eigentlich hatte sie ihn nicht mit hineinnehmen wollen.
Allerdings kam er ihr so krank vor, und sie wusste nicht, was sie tun sollte. Sie konnte ihn doch nicht einfach draußen lassen, auch wenn er sie darum bat.
Aber das war ja lächerlich. Er hatte schon zugegeben, so schwach zu sein, und er konnte die Tarnkappe, oder was immer es für ein Zauber war, nicht aufrechterhalten. Und schutzlos würde sie ihn ganz bestimmt nicht zurücklassen. Sie machte sich nicht nur Sorgen, wer – oder was – ihnen gefolgt war, sondern auch, wer ihm möglicherweise zufällig begegnen konnte. Alaric Wulf zum Beispiel. Er wohnte zwar in einer völlig anderen Gegend, doch sie wollte kein Risiko eingehen.
Zum Glück gab es in ihrem Gebäude einen Aufzug. Obwohl er uralt war, kaum Raum für zwei Personen und einen Wäschekorb bot und so langsam war, dass es normalerweise einfacher war, die Treppe hinaufzugehen, konnte sie Lucien damit jetzt sicher zu ihrem Stockwerk befördern.
Dort allerdings wurden die Dinge komplizierter. Sie hatte sich so daran gewöhnt, dass sie ganz
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