Endless: Roman (German Edition)
noch bevor die Ärzte überhaupt die Diagnose gestellt hatten. Und wir sind alle darüber im Bilde, dass Sie über seinen Vater Bescheid wussten. Also sagen Sie es mir. Sagen Sie mir, was mit meinem Sohn passiert ist.«
Meena erstarrte. Sie machte der Frau keinen Vorwurf daraus, dass sie sie hasste. Sie hatte nur versucht, David
zu helfen … der allerdings ihre Hilfe eigentlich gar nicht verdient hatte.
Aber er hatte es auch nicht verdient zu sterben. Jedenfalls nicht so. Und seine arme Frau …
Unwillkürlich warf Meena einen Blick auf das Hochglanzporträt, das mitten auf dem Tisch lag. Brianna sah so hübsch aus, so glücklich und voller Hoffnung.
»Es tut mir leid«, sagte sie und blickte Mrs Delmonico an. Tränen traten ihr in die Augen. »Es tut mir so leid …«
Plötzlich packten sie starke Hände an den Schultern. Jemand zwang sie aufzustehen. Alaric.
»Ich hoffe, Ihr Sohn taucht bald wieder auf«, sagte er mit seiner tiefen Stimme zu den Delmonicos und dirigierte Meena aus dem Konferenzraum. »Ihre Schwiegertochter auch. Auf Wiedersehen.«
Meena merkte, dass sie zitterte.
Sie versuchte es zu verbergen. Sie hielt ihre Arme um sich geschlungen, als sie mit Alaric und Abraham das Gebäude verließ.
Doch sie konnte ihr keuchendes, stoßweises Atmen nicht verbergen.
David würde nie wieder auftauchen.
Aber Brianna. Wo war Brianna? Vielleicht würde sie ja bald auftauchen.
Und wenn, dann würde sie sehr hungrig sein.
10
»Nun, das ging ja besser, als ich gedacht habe.« Abraham Holtzman setzte sich ans Steuer und ließ den Motor an.
»Ich weiß nicht.« Alaric ließ das Fenster am Beifahrersitz herunter, damit er den Ellbogen aufstützen konnte. Er hatte Probleme in engen Räumen, das war Meena schon aufgefallen, als sie gemeinsam unter einer eingestürzten Wand in der Sankt-Georgs-Kathedrale begraben gewesen waren. »Immerhin will mir niemand sagen, was wirklich passiert ist.«
»Wulf« – Abraham warf Alaric einen frustrierten Blick zu –, »erinnerst du dich noch an unser gestriges Gespräch in meinem Büro über deine interpersonellen Fähigkeiten? Es gibt einen guten Grund, warum du bei manchen Dingen nicht vollständig informiert wirst.«
»Warum sollte ich denn dann überhaupt mitkommen?«, wollte Alaric wissen.
»Das dürfte doch auf der Hand liegen«, antwortete Abraham. »Ich brauche dich, um Meena zurück in die Stadt zu begleiten. Sie erfreut sich offenbar unter unseren Vampirfreunden wieder großer Beliebtheit.« Er lächelte Meena im Rückspiegel zu. »Keine Sorge, meine Liebe. Alaric wird sich sehr gut um Sie kümmern. Sie erinnern sich sicher noch daran, wie hervorragend er seine Aufgabe beim letzten Mal gemeistert hat.«
Meenas Herz sank. Sie würde Alaric wieder ständig um sich haben? Na, das war ja großartig.
»Ja«, sagte sie gespielt enthusiastisch, »toll. Es tut mir leid, dass ich die Regeln nicht befolgt habe. Aber es wird nicht nötig sein, Alaric von seinen normalen Pflichten zu entbinden. Es war sicher ein Einzelfall, dass David mich überfallen …«
»David?« Alaric drehte sich so weit herum, wie sein Gurt es zuließ, und starrte Meena aus weit aufgerissenen Augen an. »David hat dich gebissen?«
»Ja, natürlich«, erwiderte Meena. »Was dachtest du denn?« Allerdings wusste sie ganz genau, was er gedacht hatte.
»Na, das ist ja wohl ein großer Zufall, wenn jemand gleich zwei Freunde hat, die zu Vampiren werden.«
»Red du nur«, konterte sie und reckte trotzig das Kinn. »Glaub bloß nicht, dass Carolina nichts davon erzählt, wie du warst, als dich in Prag dieser Sukkubus überlistet hat. Ich habe gehört, sie mussten dich praktisch von ihr abschälen.«
Alaric runzelte die Stirn. »Das ist eine grobe Übertreibung.«
»Uh«, erwiderte Meena, »das glaube ich nicht. Carolina hat mir das Video gezeigt …«
Alaric warf ihr einen wütenden Blick zu. »Das ist fast zehn Jahre her«, sagte er. »Und außerdem war dieser Sukkubus nicht das verkörperte Böse, der Herrscher aller …«
»Wag es bloß nicht, Lucien in all das hineinzuziehen«, fuhr Meena ihn an.
»Kinder«, grollte Abraham, »bitte. Alaric, sei nicht so hart mit Meena. Es hätte uns zwar eine Menge Ärger erspart, wenn sie gestern Abend direkt im Hauptquartier angerufen hätte, aber ich verstehe durchaus, dass sie verletzt und vielleicht sogar traumatisiert war, wenn man die … äh, persönliche Natur dieses Zwischenfalls bedenkt. Jemanden töten zu müssen, dem man einmal so
Weitere Kostenlose Bücher