Endless: Roman (German Edition)
schlug den Notizblock auf, den sie vor sich liegen hatte. »Mrs Delmonico sagt, Sie hätten möglicherweise Informationen über ihren Sohn, der gestern Abend nicht nach Hause gekommen ist. Was können Sie uns dazu sagen?«
Meena warf Abraham einen raschen Blick zu.
»Äh«, sagte sie. »Ich dachte … im Fernsehen verhören sie die Verdächtigen immer in getrennten Räumen.«
Detective Rogerson verzog keine Miene. »Wir sind hier nicht im Fernsehen, und Sie sind keine Verdächtige, Miss Harper, weil bis jetzt noch kein Verbrechen vorliegt. Es sei denn, Sie sind diejenige, die Mr Delmonicos Auto gestern Abend zerstört hat.«
»Nun, das ist ja wohl kaum möglich«, warf Abraham ein. »Meine Mandantin ist klein und zierlich, und man muss schon sehr stark sein, um so einen Schaden …«
Detective Rogerson schaute Abraham direkt ins Gesicht. Er lächelte sie freundlich an.
»Ja«, bekräftigte Meena hastig, »das stimmt. Mit dem Schaden an Davids Auto habe ich nichts zu tun.«
Da sie bereits einen strategischen Fehler gemacht hatte, achtete Meena sorgfältig darauf, Detective Rogerson beim Sprechen in die Augen zu blicken, damit sie ihr keine Lügen vorwerfen konnte.
Sie erklärte, sie sei mit David am Abend zuvor verabredet gewesen, um ihm seine Sachen zurückzugeben. Anschließend hätten sie noch eine Weile in Davids geparktem Auto gesessen, um zu »reden«. Sie habe schnell gemerkt, berichtete sie, dass er ein wenig angetrunken war. Deshalb habe sie vorgeschlagen, er solle nicht mehr nach Hause fahren, und er sei einverstanden gewesen.
Als sie das erwähnte, zog Mrs Delmonico scharf die Luft ein, obwohl Meena den Rest – dass David sich auf sie gestürzt hatte – gar nicht erst erwähnte. Das würde sie auf gar keinen Fall preisgeben, vor allem nicht vor Mrs Delmonico, die tatsächlich eine Perlenkette trug, genau wie
Meena es sich vorgestellt hatte. Sie drehte sie die ganze Zeit so fest um die Finger, dass Meena schon Angst hatte, sie würde reißen.
Davids Dad hingegen sah so aus, als würde er jeden Moment in Tränen ausbrechen. Seine Nase war voller roter Äderchen – vom Trinken, vermutete Meena. Allein die Tatsache, dass Meena Davids Alkoholkonsum erwähnte, schien seine Eltern schon zu deprimieren.
Sie würde auf keinen Fall alles noch schlimmer machen, indem sie erzählte, dass er sie angegriffen hatte. Das würden sie sowieso nie glauben.
Außerdem konnte sie es nicht erwähnen, da sie ja jetzt bei der Geheimen Garde arbeitete – der Undercover-Organisation des Vatikans zur Bekämpfung von Dämonen. Vor Zivilisten durfte die Existenz von Vampiren nicht zugegeben werden.
Selbst wenn sie gewollt hätte, hätte sie also nicht sagen können, dass David nicht nur betrunken gewesen, sondern anscheinend auch in einen Untoten verwandelt worden war und sie angegriffen hatte.
Aber das wollte sie ja gar nicht.
Sie wollte vor allem eins: Lucien aus all dem heraushalten. Er hatte schließlich überhaupt keine Schuld daran – sie hatte die ganze Geschichte verbockt –, und er hatte seinen Hals für sie riskiert, indem er nach so vielen Monaten aus seinem Versteck gekommen war, um sie vor David zu retten, obwohl es ihm noch nicht einmal gut ging.
Und jetzt war auch noch Alaric Wulf involviert. Alaric war einer der besten Offziere der Geheimen Garde, und er kannte unzählige Geschichten von Opfern, die die
Vampire, die sie nur als menschliche Futtersäcke benutzten, so tief liebten wie Meena Lucien liebte und ebenfalls lügen würden, um sie zu schützen.
Doch in ihrem Fall war es anders. Lucien hatte sie gestern Abend nicht angegriffen. Und er wollte sie auch nicht beißen. Er liebte sie.
Aus diesem Grund musste sie seinen Namen hier heraushalten. Auch wenn er sie gerettet hatte. Niemand in der Geheimen Garde – vor allem nicht Alaric – würde verstehen, dass Lucien nicht schuld gewesen war. Sie würden ihm so oder so die Schuld geben. Wie jede Bürokratie hatte auch die Geheime Garde ihre blinden Flecken.
Meena hatte gehofft, die Dinge unter Kontrolle halten zu können, indem sie nach dem Gespräch mit Mrs Delmonico Abraham angerufen hatte und nicht die Notfallnummer der Geheimen Garde. Sie hatte ihm erklärt, er bräuchte sich keine Sorgen zu machen. Am Abend zuvor habe es einen unglückseligen Zwischenfall gegeben, aber es sei nichts wirklich Schlimmes.
Nun, vielleicht ein bisschen …
Doch sie hätte wissen müssen, dass Abraham Alaric mitbringen würde. Alaric, bei dessen
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