Endless: Roman (German Edition)
Abraham es formuliert hat, heftige Rache an seinen Lakaien geübt hat, die es gewagt haben, dich zu verletzen. Jemand, der in den letzten fünfhundert Jahren unter zahlreichen Namen aufgetreten ist, sich in der letzten Zeit jedoch Lucien Antones…«
»Hör auf!« Meena wandte sich ihm zu. »Hör einfach auf. Wenn du die ganze Zeit über gewusst hast, dass er dabei war, warum hast du es dann nicht einfach gesagt? Und es ist immer noch kein Grund, Abraham einfach allein zu lassen. Können wir bitte zurückfahren? Ich habe wirklich ein schreckliches Gefühl seinetwegen an diesem Ort …«
»Du liebe Güte, Meena«, sagte Alaric. »Abraham kann auf sich selbst aufpassen. Ich mache mir Sorgen um dich. Und du weißt ganz genau, dass ich dich erst aus diesem Auto lasse, wenn du mir alles erzählt hast. Die ganze Wahrheit. Also fang von vorne an. Ich habe den ganzen Tag Zeit.«
Sie wusste, dass er es absolut ernst meinte. Er würde sie wirklich nicht aus dem Auto lassen, bis sie ihm erzählte, was er wissen wollte. Seufzend gab sie auf. Es war zwecklos. Früher oder später würde er sie doch dazu bringen.
»Gut«, sagte sie. »David hat versucht, mich zu töten. Lucien tauchte aus dem Nichts auf … und das war ein
Glück für mich, weil er mir das Leben gerettet hat. Aber ich schwöre, dass ich ihn gestern Abend seit letztem Frühjahr zum ersten Mal gesehen habe …«
Alaric umklammerte das Lenkrad so fest, dass seine Knöchel weiß hervortraten. »Verdammt noch mal, Meena«, sagte er, ohne sie anzusehen.
»Das ist die Wahrheit, Alaric«, versicherte sie ihm. »Ich schwöre. Und Lucien hat mich nicht gebissen, und er hat auch David nicht verwandelt. Mit dem, was in Freewell passiert ist, hat er ganz bestimmt nichts zu tun …«
»Wie kann das sein?«, fragte Alaric. »Er ist der Fürst der Finsternis, Meena. Er muss etwas damit zu tun haben. Er weiß alles, was die Dämonen tun. Das ist sein Job, seine Existenzgrundlage.«
»Nein, das stimmt nicht ganz, Alaric«, erwiderte sie. »Das soll vielleicht so sein, aber es ist nicht so. Letztes Mal, als sein eigener Bruder …«
»Hat er dir das erzählt?«, wollte Alaric wissen. »Was hat er dir gestern Abend sonst noch so erzählt? Dass seine Liebe wie eine Flamme brennt, die niemals erlischt, und dass jeder Augenblick ohne dich wie eine offene Wunde ist? Floskeln übrigens, die er vor dir schon unzähligen Frauen gesagt hat. Nur weil sie schon alle tot sind und niemand sich mehr an sie erinnern kann, heißt das noch lange nicht, dass die Morde an ihnen vergeben und vergessen sind.«
Meena warf ihm einen finsteren Blick zu. »Das hat er überhaupt nicht gesagt.« Jedenfalls nicht mit diesen Worten. »Und du brauchst mir hier keinen Vortrag zu halten, Alaric. Ich bin keiner von diesen albernen Teenagern, vor
denen du dich ständig aufspielen musst, damit sie sich von ihren Vampirfreunden nicht als Futtersack missbrauchen lassen und wieder nach Hause zu ihren Eltern gehen. Ich arbeite tatsächlich für dieselbe Organisation wie du und habe an den letzten Vorträgen mitgearbeitet, erinnerst du dich?«
»Warum glaubst du denn dann alles, was er dir erzählt?«, fragte er. »Du bist dir im Klaren darüber, dass es so etwas wie einen vegetarischen Vampir nicht gibt, oder? Er muss Menschenblut trinken, um am Leben zu bleiben.«
»Lucien trinkt schon seit langer Zeit kein Menschenblut mehr. Nun ja, er trinkt es, aber nicht von lebenden Menschen. Nur von Blutbanken.«
»Hat er dir das erzählt?«, fragte Alaric wieder und lachte zynisch. »Das ist ja eine süße Geschichte. Und woher bekommt er jetzt wohl das Blut? Alle seine Konten sind eingefroren. Er besitzt keinen Cent. Schwarzmarktblut ist nicht gerade billig, weißt du. Benutz doch mal deinen Kopf statt deines Herzens. Woher bekommt er sein Blut?«
Meena hatte die ganze Nacht wachgelegen und über genau dieses Problem nachgedacht. Wie kam Lucien – dem die Geheime Garde nicht nur seine letzte Identität, sondern auch sein gesamtes Vermögen genommen hatte – an das Blut, das er brauchte, um zu überleben? Wie konnte er ohne Geld existieren und trotzdem sein Versprechen halten, nie ein menschliches Leben zu nehmen?
Sie hatte den Stoff seines Anzugs gefühlt. Er war weich gewesen, wie das Fell an Jack Bauers Bauch.
Lucien schien gut zu leben.
Dann fiel ihr ein, wie rot seine Augen aufgeflammt waren,
als er sie geküsst hatte. Und er hatte schwach und krank gewirkt.
Vielleicht ernährte er sich doch nicht
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