Endless: Roman (German Edition)
worden.
Aber wie? Und von wem? Die Geheime Garde, Meenas Arbeitgeber, hatte in den letzten sechs Monaten jede dämonische Lebensform im Dreistaateneck, die sie finden konnten, mit einer systematischen Brutalität gejagt und zerstört, die selbst in Meena, die allen Grund hatte, sie zu verachten, Mitleid für die armen Dinger geweckt hatte. Schließlich war es ja nicht ihre Schuld, dass sie infiziert waren.
Das konnte alles nicht wahr sein.
Sie war doch darauf trainiert, sich genau gegen solche Dinge zu verteidigen.
»David.« Grunzend versuchte sie, ihre Hände aus seinem eisernen Griff zu befreien. Wenn sie doch nur an ihre Tasche käme! Darin befand sich der Holzpflock, den sie immer bei sich hatte, und sie konnte ihn ihm ins Herz stoßen.
Aber dann fiel ihr ein, dass sie gar keine Tasche dabeihatte. Sie hatte nur Handy und Schlüssel in die Tasche der leichten Wolljacke gesteckt, die sie sich hastig übergeworfen hatte, als sie aus der Wohnung gestürzt war. Sie hatte nicht damit gerechnet, dass das Treffen so lange dauern würde. Schließlich hatte sie ihm doch nur sagen wollen, dass er bald sterben würde.
Das stimmte aber gar nicht. Er war nämlich bereits tot.
Deshalb bekam sie auch ihre Hände nicht frei. Er hatte nämlich übermenschliche Kräfte.
»Wer hat dir das angetan?«, fragte sie. »Wie ist das passiert? Und was willst du überhaupt?«
»Was glaubst du denn?«, lallte er. Er konnte seine toten Augen kaum noch offen halten. Und er war bedeutend schwerer als sie. Sein Oberkörper lastete wie Blei auf ihr. Und er war so stark. Und sein Atem stank immer noch.
»Weißt du eigentlich, für wen ich arbeite?«, stieß sie hervor. »Du solltest mich besser loslassen, denn sonst bekommst du richtig Ärger.«
»Nein«, erwiderte er und senkte seinen Kopf über ihren Hals.
Sie hatte einen kurzen, weiten Rock an. Eigentlich sollte
es ihr nicht schwerfallen, ihm ihr Knie dorthin zu stoßen, wo es wehtat.
Aber das Armaturenbrett war im Weg, ganz zu schweigen davon, dass Davids schwerer Körper sie festhielt. Sie bekam kaum Luft, und er hielt ihre Handgelenke so fest umklammert, dass das Blut nicht zirkulieren konnte.
Meenas Panik wuchs. Nicht nur wegen der Fangzähne, sondern auch, weil sie mittlerweile gemerkt hatte, dass das harte Ding an ihrem Oberschenkel kein Flachmann war.
Als David mit der freien Hand an seinem Reißverschluss fummelte, wurde ihr Bedürfnis zu entkommen übermächtig.
Sie füllte ihre Lungen mit seinem stinkenden Atem und stieß einen so ohrenbetäubenden Schrei aus, dass David fluchend den Kopf hob.
In diesem Moment wurde die Fahrertür von Davids Volvo aus den Angeln gerissen.
Eine Sekunde später war David verschwunden.
Er schien sich einfach in Luft aufgelöst zu haben. In der einen Minute lag er noch auf ihr.
Und in der nächsten war er weg.
Keuchend und desorientiert vor Schock rang Meena nach Luft und rieb sich die Handgelenke. Was war passiert? Hatte sie alles nur geträumt? Vor allem den Teil, wo sie versucht hatte, David Delmonico zu retten? Er hatte es noch nie verdient, gerettet zu werden, und jetzt hatte er sich auch noch als Vampir entpuppt.
Aber nein. Als sie den Kopf drehte, sah sie, dass die Fahrertür von Davids Auto weg war.
Es war still auf der verlassenen Straße, wenn man von
den üblichen Geräuschen der Stadt einmal absah … irgendwo in der Ferne heulte eine Sirene. Auf der Avenue herrschte Verkehr. Ganz in der Nähe drang leise Musik aus einem offenen Fenster.
Und dann knallte aus dem Nichts ein Körper auf die Motorhaube von Davids Auto, so dass der gesamte Wagen erbebte. Die Windschutzscheibe wölbte sich nach innen und zersplitterte.
Wieder schrie Meena. Ihre Stimme hallte durch die verlassene Straße.
David lag ganz still da – wie ein Toter.
Ihr wurde erst klar, was mit David geschehen war – er war nicht von fliegenden Affen in die Luft geschleudert und leblos auf das Auto geworfen worden –, als der Mann, der es getan hatte, höflich an die Scheibe auf der Beifahrerseite klopfte.
Erneut schrie sie, bis sie erkannte, wer sie durch die Scheibe anblickte.
»Meena?« Seine dunklen Augen blickten sie besorgt an. »Geht es dir gut?«
Es war Lucien Antonescu.
3
»Ja, alles in Ordnung«, erwiderte Meena automatisch.
Sie öffnete die Tür und stieg aus – mit zitternden Knien, aber so würdevoll wie möglich. Lucien hielt ihr die Tür auf, weil er der Typ Mann war, der einer Frau prinzipiell die Tür aufhielt.
Er war
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