Endless: Roman (German Edition)
schwebt etwa einen Meter über dem Bett, in so einer Art … Lichtkreis. Aber diese Stimmen, die aus ihr herauskommen … In meinem ganzen Leben hatte ich solche Stimmen noch nicht gehört.« Padre Caliente erschauerte. »Und die Dinge, die sie sagte.«
»Was haben die Stimmen denn gesagt?« Meena riss die Augen auf.
Der Priester blickte sie an. »Oh«, entgegnete er. »Das wollen Sie nicht wissen, glauben Sie mir.«
»Flüche wahrscheinlich«, warf Bruder Bernard ein.
Alaric wusste, dass das Mädchen weitaus Schlimmeres von sich gegeben hatte, doch er behielt diese Information für sich.
»Auf jeden Fall steht die Familie des Mädchens weinend da und fleht mich an, der Kleinen zu helfen. Und da steht
dieser Mann« – Bruder Henrique nickte Alaric zu –, »und er sagt zu mir, ich solle mein Weihwasser und mein Kreuz holen und anfangen zu beten. Und ich solle mich beeilen. Beeilen! Ich hatte solche Angst, ich hatte noch nie in meinem Leben so etwas gesehen, so etwas …«
Bruder Bernard legte dem jüngeren Priester die Hand auf die Schulter. »Ich kenne das. Das reine Böse. Wenn man es zum ersten Mal sieht, flieht man entweder oder erstarrt zur Salzsäule.«
Oder kämpft, dachte Alaric. Oder bin ich der Einzige, der daran gedacht hat? Er wusste, dass Schwester Gertrude immer mehrere Pistolen bei sich trug und nie zögerte, sie zu benutzen.
Aber ihr hatte niemand die Leitung einer Gemeinde an der Upper East Side anvertraut.
»Ja«, sagte Bruder Henrique und warf Bruder Bernard einen dankbaren Blick zu. »Ich ließ alles fallen … nun, zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich weglief.«
Schwester Gertrude schüttelte den Kopf. »Oh, Sie Ärmster!« , antwortete sie. »Wirklich?«
Der Priester nickte. »Seitdem habe ich versucht, es wiedergutzumachen, indem ich im gleichen Bezirk gegen die Lamir gekämpft …«
»Die Lamir!«, sagte Bruder Bernard beeindruckt. »Ich habe gehört, dass sie sehr gefährlich sind. Südamerikanische Vampire sollen angeblich nicht so sein wie der Rest der Spezies. Sehr aggressiv.«
»Ja«, entgegnete Bruder Henrique, »sie sind ganz anders als ihre europäischen Verwandten. Es heißt, sie seien Nachfahren der Noctilio leporinus, der südamerikanischen
Fischfledermäuse. Sie fliegen dicht über der Oberfläche von Flüssen oder Seen und packen ihre Beute mit den Klauen, wobei sie nicht nur ihr Blut trinken, sondern sie auch zerreißen.«
»Schrecklich«, meinte Schwester Gertrude schaudernd. »Und ich glaube, wenn Sie ein paar dieser furchtbaren Kreaturen ausgelöscht haben, dann haben Sie diesen Fehler mehr als wiedergutgemacht.«
»Ein paar«, rief Bruder Bernard. »Ich habe gehört, er hat Hunderte vernichtet.«
»Nun«, sagte Padre Caliente bescheiden, »ich habe es versucht. Ich könnte mir sonst nie verzeihen, dass ich diesen Mann mit dieser schrecklichen Aufgabe allein gelassen habe.« Er ergriff Alarics Hand. »Danke, mein guter Freund. Endlich kann ich es Ihnen sagen. Danke, dass Sie diese arme, hilflose kleine Seele gerettet haben.«
»Ich habe sie nicht gerettet«, erwiderte Alaric. Er versuchte erst gar nicht, seine Bitterkeit zu verbergen. »Sie brauchte mehr Hilfe, als ich ihr geben konnte. Deshalb habe ich ja den Priester kommen lassen. Nachdem Sie weggerannt waren, starb sie.«
Alle schwiegen. Schwester Gertrude bekreuzigte sich und sagte leise: »Gott segne sie.«
Meena traten Tränen in die dunklen Augen. »Das ist so traurig«, sagte sie.
Alaric blickte sie alarmiert an. »Fang jetzt bloß nicht an zu weinen«, warnte er sie. Was war bloß los mit ihr? Ständig brach sie in Tränen aus. Auch im Taxi hatte sie bestimmt geweint, als er ihr die Kette gegeben hatte. »Hier kommt der Erzbischof. Und Genevieve Fox ist bei ihm.«
»O Gott«, sagte Meena. Hastig wischte sie sich über die Augen, was eine breite schwarze Mascaraspur an ihren Schläfen hinterließ. Alaric starrte sie ungläubig an.
Der Erzbischof hatte sich stetig durch die Menge gearbeitet, bis er schließlich bei ihnen stehen blieb. Das Kamerateam, das ihm gefolgt war, blieb ebenfalls stehen.
»Euer Exzellenz«, begrüßten Bruder Bernard und Bruder Henrique ihn und beugten die Knie. Schwester Gertrude versank in einen Knicks. Alaric blieb aufrecht stehen, aber der Erzbischof schien keine Notiz davon zu nehmen.
»Ah«, sagte er und strahlte sie an. »Es freut mich sehr, dass Sie hier sind.« Offensichtlich hatte er nicht die leiseste Ahnung, wer sie waren, abgesehen von Bruder
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