Endlich Single: schon verliebt
erotischen Phantasien über diesen Clown! Himmel, was war sie erbärmlich! Nina zog den Gürtel ihres Morgenrocks enger und trat einen Schritt zurück. “Ich habe Kaffee.” Irgendwer musste ihn schließlich ausnüchtern.
Alex fühlte sich wie zu Hause. Schnurstracks marschierte er in die Küche. Erst beim Anblick des Papierstapels auf dem Esstisch erinnerte er sich an seine Kinderstube. “Sie arbeiten. Ich will nicht stören.”
“Ist schon in Ordnung”, wiegelte Nina ab. “Es ist ein schreckliches Buch. Langweilig. Schwülstig. Tranig.”
Alex runzelte die Stirn. “Tranig … das war der Russe, richtig?”
Offenbar verwechselte er “tranig” mit Turgenjew. “Sie sind kein großer Leser, wie ich sehe.”
“Stimmt. Ich habs mehr mit der Naturwissenschaft.” Er befreite sich von seiner Krawatte, krempelte die Hemdsärmel hoch, begrüßte Fred, und Nina vergab ihm alles.
Alex war ein netter Kerl. Gut, dann war er eben keine Intelligenzbestie. Es war schließlich nicht so, als zöge sie allen Ernstes eine engere Beziehung mit ihm in Erwägung. Was sie brauchte, war ein Freund. Alex war nett zu ihr und gut zu ihrem Hund. Was könnte sie sich mehr von einem Nachbarn wünschen?
Aus reiner Neugier überflog Alex die oberste Manuskriptseite. “Das ist ja grauenhaft! Eine literarische Strafe für die Menschheit! Warum schreibt er über eine langweilige amerikanische Eliteschule, wenn er Russe ist?”
“Er ist kein Russe! Wie viel haben Sie getrunken?”
Alex lehnte sich in seinem Stuhl zurück. Zur Sicherheit umklammerte er die Tischkante. An den Fingern der anderen Hand zählte er ab: “Frühstück mit meiner Schwester: Irish Coffee. Ein nervenaufreibender Lunch mit meiner Mutter: zwei Scotch. Happy Hour mit meiner Stiefmutter: Brandy. Vorhin habe ich mich mit meinem Dad zum Dinner getroffen.” Er verzog das Gesicht. “Wo Dad ist, fließt der Schnaps in Strömen. Ich bin ziemlich sicher, dass ich drei Whiskeys intus habe. Als krönender Abschluss erwartete mich zu Hause mein Bruder mit einem Sechserpack Bier.” Er seufzte. “Max ist eben gegangen. Ich wollte mich hinlegen, aber plötzlich drehte sich alles. Da musste ich an Sie denken. Flößen Sie mir Koffein ein, dann verschwinde ich wieder.”
Nina legte einen Filter in die Kaffeemaschine, löffelte das Kaffeemehl hinein und nahm zwei Becher aus dem Hängeschrank. “Hätten Sie zwischendurch nicht ein paar Alka Seltzer nehmen können?”
“Nein.” Alex schüttelte den Kopf. “Himmel, das tut weh! Ich brauchte etwas, das den Refrain übertönt.”
“Den Refrain?”
“Ja. Ihre Verse lauteten unterschiedlich, nur beim Refrain waren sich alle einig: ‚Alex, du brauchst unbedingt einen anständigen Beruf!’” Seine verächtliche Miene sprach Bände. “Ich will keinen anständigen Beruf! Wie Kraken bedrängen sie mich von allen Seiten.”
Soviel zu ihren erotischen Anwandlungen. Da saß das personifizierte Peter-Pan-Syndrom direkt in ihrer Küche. Bloß nicht erwachsen werden! Keine Ziele, keine Ambitionen, nicht die geringsten Zukunftsperspektiven! “Wissen Sie, Alex, Ihre Verwandten könnten Recht haben. Mir ist klar, fünfundzwanzig oder sechsundzwanzig erscheint Ihnen sehr jung …”
“Ich bin dreißig”, gestand Alex dumpf. “Seit heute. Ist der Kaffee fertig?”
Dreißig? Und er wusste immer noch nicht, was er mit seinem Leben anfangen sollte? Was machte er im Augenblick? Womit verdiente er sein Geld? Personalien überprüfen? In einer Rockband singen? Sicherstellen, dass die Fritten gar waren?
“Kaffee?” bat Alex erneut.
Nina warf einen prüfenden Blick über die Schulter. “Gleich. Sie sind also dreißig?”
“Sie haben mich jünger geschätzt, stimmts? Passiert mir ständig. Kein Wunder, dass mich keiner ernst nimmt. Dabei habe ich längst einen zurückweichenden Haaransatz!”
Nina kniff die Augen zusammen. “Haben Sie nicht!”
“Habe ich doch!” Er schob sein dichtes blondes Haar aus der Stirn. “Sehen Sie? Es verflüchtigt sich an den Seiten.”
Nina beugte sich vor. “Zugegeben, mit etwas Phantasie. Aber wenn Sie von Ihren Mitmenschen ernst genommen werden wollen, wäre die Wahl eines richtigen Berufs wesentlich überzeugender, als mit einem minimal zurückweichenden Haaransatz zu glänzen.”
Alex stöhnte. “Nicht auch Sie noch! Hören Sie, ich bin zufrieden mit dem, was ich tue. Alles, was mir zu meinem Glück fehlt, ist eine Tasse Kaffee.”
“Kommt sofort.” Die Realität hatte sie
Weitere Kostenlose Bücher