Endlich Single: schon verliebt
Leute Angelegenheiten? “Das verstehe ich nicht. Erklären Sie es, oder Sie bekommen keinen Kaffee mehr”, drohte Nina scherzhaft.
“Erst wenn wir die Förmlichkeiten fallen lassen. Ich kann niemanden in meine verquere Familiengeschichte einweihen, den ich mit Mrs. Askew anrede.”
Nina verdrehte genervt die Augen, nickte dann aber.
“Meine Mutter will mich zum Neurochirurgen ummodeln.” Alex stieß einen abgrundtiefen Seufzer aus.
“Wieso?”
“Weil sie Neurochirurgin ist und ich ihr einziges Kind bin.”
“Erwähntest du nicht eben einen Bruder und eine Schwester?”
“Stimmt. Stella ist Onkologin – Krebsforscherin”, erklärte er auf ihren verständnislosen Blick hin. “Max ist Gynäkologe.” Alex unterbrach sich. “Oh, du meinst, wieso ich ein Einzelkind bin? Beides sind Halbgeschwister. Dad war dreimal verheiratet. Wir sind alles Einzelkinder. Das verbindet.”
Fasziniert stützte Nina das Kinn in die Hand. “Und dein Vater will was aus dir machen?”
“Einen Kardiologen – also einen Herzspezialisten –, da Stella und Max ihn enttäuscht haben.” In einem Zug leerte er seinen Kaffeebecher. “Hast du irgendwas zu essen?”
Pflichtschuldig holte Nina eine Schachtel Schokokekse. Prompt erwachte auch Fred aus seinem Nickerchen. “Warum haben die beiden ihn enttäuscht?”
“Stellas Mom starb an Krebs, deswegen konzentrierte sie sich darauf. Max dagegen wählte sein Fachgebiet mehr aus ästhetischen Gründen.”
“Frauenheilkunde ist ästhetisch?”
Das Knistern des Plastiks machte Fred mobil. Sein Kopf erschien über der Tischkante. Alex gab ihm den ersten Keks und nahm sich einen neuen. Fred spuckte den Keks aus, betrachtete ihn eingehend, leckte daran, stupste ihn mit der Nase an, leckte erneut. Erst dann nahm er ihn vorsichtig zwischen die Zähne und trottete ins Wohnzimmer.
Alex sah ihm nach. “Ein Gourmet. Wo war ich stehen geblieben? Oh, richtig, bei der ästhetischen Gynäkologie. Nun, wie Max mir erst vor knapp einer Stunde sehr überzeugend darlegte: wieso soll man sein Leben mit dem Blick in den geöffneten Brustkorb Achtzigjähriger vergeuden, wenn man stattdessen …”
Schwach lehnte Nina sich an die Anrichte. “Ich will das nicht hören.”
“… in die Augen von Frauen blicken kann, die einem jedes Wort von den Lippen ablesen. Max würde dir gefallen. Er ist alt, fast sechsunddreißig.”
“Du kannst mich mal!” entfuhr es Nina.
“Stella nähert sich auch schon dem Greisenalter. Zweiundvierzig, glaube ich. Stella würdest du auch mögen. Das nächste Mal, wenn sie alle über mich herfallen, kommst du mit und beschützt mich.”
Ihre Blicke trafen sich. Ninas Herz schlug plötzlich Purzelbäume. Ich werde nirgendwo mit dir hingehen, Sonnyboy! dachte sie. “Und dann ist da deine Stiefmutter. Max’ Mutter, richtig? Was will sie aus dir machen? Einen Hautarzt?”
“Dermatologe ist schon Cousin Tom. Wenn ich mich in solche Niederungen verstiege, würden sie mich enterben. Max’ Mom ist Internistin, aber ihr ist egal, was ich mache, solange ich mich spezialisiere.”
“Was gefällt ihnen nicht an der Ambulanz?”
“Kein Ruhm, kein Status, kein dickes Bankkonto.” Alex genehmigte sich einen dritten Keks. “Hast du Milch da?”
“Entrahmte.” Beim Öffnen des Kühlschranks griff Nina automatisch nach oben.
“Warum machst du das?”
“Die Auflaufform zurückschieben?” Mit einer graziösen Hüftbewegung schloss sie die Kühlschranktür. “Oben auf dem Gerät ist mein einziger Stauraum. Durch die Vibration des Motors rutscht der Topf ständig nach vorn. Ich muss unbedingt einen besseren Platz finden, aber die Schränke sind voll.”
“Eines Tages erschlägt er dich. Stell ihn da fort.”
Genau das fehlte ihr noch: ein Jungmediziner, der ihr Anweisungen erteilte. “Willst du jetzt Milch oder nicht?”
Fred kehrte zurück, ließ sich auf den Boden plumpsen wie ein Sack Zement, wischte seine triefende Nase an Alex’ Hose ab und ergatterte sich durch Mitleid heischendes Jaulen einen weiteren Keks. Nach der obligatorischen Geruchsprobe trottete er mit seiner Beute zur Couch.
Inzwischen hatte Alex seinen Kaffeebecher ausgespült und hielt ihn Nina auffordernd hin. “Entrahmte Milch. Wie gesundheitsbewusst.”
“Das ist nur mein Realitätssinn. Also, was wirst du tun?”
“Berufsmäßig? Abwarten, bis meinen Angehörigen die Puste ausgeht. Immerhin sind das alles hochbeschäftigte Leute. Irgendwann wenden sie sich wieder ihrem eigenen
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