Endlich Single: schon verliebt
Erzähl mir von ihm.”
Mit kaum verhülltem Argwohn musterte Nina die Freundin in ihrer schwarzen Seide, eine Kombination, die Männer jeden Alters um den Verstand bringen konnte. “Du willst dich an meinen minderjährigen Nachbarn heranmachen?”
“Nein. Ich werde dich dazu überreden. Sofern er unverheiratet ist.”
“Ist er. Jedenfalls trug er keinen Ring.”
Charity schnaubte.
“Du wirst mich zu nichts überreden, also vergiss es einfach!”
“Ist er süß? Womit verdient er seinen Lebensunterhalt?” bohrte Charity.
Das Bild von Alex, lässig an ihrem Küchentisch, schoss Nina durch den Kopf. “Ja, er ist süß. Ich habe keine Ahnung, womit er sich seinen Lebensunterhalt verdient. Wahrscheinlich mit irgendwas, das ein rotweißes Käppchen und heißes Frittenöl erfordert. Er erscheint mir nicht allzu karriereorientiert.”
“Das ist einfach wundervoll!” In ihrer Begeisterung fütterte Charity Fred mit einem Kartoffelchip. Da es keine Brezel war, aß Fred ihn äußerst vorsichtig. “Mach ihn zu deinem Boy Toy! Wenn er bei McJob arbeitet, endest du nicht als Anhängsel eines Karrierebesessenen. Und bei seiner Jugend hat er bestimmt jede Menge Lust auf Sex. Das ist einfach perfekt!”
Eine überaus verlockende Vorstellung. “Es ist nicht perfekt! Ich gehe mit niemandem aus, der fünfzehn Jahre jünger ist! Ich gehe überhaupt mit niemandem mehr aus! Mir gefällt meine Freiheit. Nie wieder muss ich an öden Dinners teilnehmen und mich auftakeln, um die Karriere eines Mannes zu fördern.” Für den unwahrscheinlichen Fall, dass sie sich jemals mit Alex verabredete, oder – der Himmel möge es verhüten – mit ihm schlief, würde bestimmt alle Welt behaupten, sie durchlebe ihren zweiten Frühling. Halb Riverbend würde ihnen auf der Straße nachsehen und sich fragen, was er bloß an ihr fand. Guy würde spöttische Bemerkungen fallen lassen. Ihre Mutter würde die Augen rollen, ihre Freunde würden Witze reißen. Sie und Alex besaßen keinerlei Gemeinsamkeiten. Sie wäre besessen von ihrem dünner werdenden Schamhaar, er würde Luftgitarre spielen.
Am allerschlimmsten: falls sie je mit ihm schlief, musste sie ihre Kleider ausziehen. Leider hatte ihre Mutter recht: ihr Körper war vierzig Jahre alt. Die ganze Idee war unmöglich.
Außerdem war er sowieso nicht an ihr interessiert. Genau das fehlte ihr noch: erotische Phantasien über einen Mann, der sie als Mutterfigur sah! Allein durch seine Existenz fühlte sie sich gleich zehn Jahre älter.
“Wieso nicht?” hakte Charity nach. “Alex hat dein Schamhaar noch nie zu Gesicht bekommen. Ihm wird es kaum auffallen, wenn es tatsächlich dünner geworden ist.”
“Und ich hielt dich für meine beste Freundin!”
“Genau deshalb bekommst du auch meinen kostenlosen Rat: Brich dem Jungen das Herz. Leiden fördert den Reifeprozess. Daneben ist eine heiße Affäre das beste Mittel gegen Scheidungsdepressionen. Vertrau Tante Charity. Wenn es um Romanzen geht, kennt sie sich aus. Davon abgesehen wird es Guy verrückt machen.”
Nina entschloss sich zu einem Themenwechsel, bevor diese verhinderte Kummerkastentante sie zu etwas wirklich Dummen überredete. “Vergiss Guy. Meine Depressionen verdanke ich Jessica.”
“Armes Baby! Hat sie dir wieder ein todlangweiliges Buch aufgebrummt?”
“Die Internatserlebnisse eines elitären Highsociety-Schnösels. Ich dachte immer, die Superreichen seien lasterhaft. Dieser Knabe hat nie auch nur ein Bettlaken zerknautscht. Das entsetzlichste Gefasel, das ich je durchackern musste.”
Geistesabwesend rührte Charity in ihrem Milchshake. “Ich jedenfalls könnte eine Wahnsinnsautobiographie schreiben. Wenn ich an all die durchlittenen größeren und kleineren Katastrophen denke …”
“Ich sollte dich als Ghostwriter für diesen Langeweiler verpflichten. Misch etwas von deinem Sexleben unter sein Nicht-Leben.”
“Ich sollte mein eigenes Buch schreiben. Es wird langsam Zeit, dass ich eine aussichtsreiche Zukunft habe, statt einer erlebnisreichen Vergangenheit.”
Schmunzelnd fütterte Nina Fred mit einem Chip. Charitys Leben zwischen Buchdeckeln, eine Aneinanderreihung von Desastern, beschrieben mit Charitys trockenem Humor, das gäbe ein klasse Buch ab.
Ninas Lächeln verblasste. Warum eigentlich nicht? “Kannst du schreiben, Charity?”
“Natürlich kann ich schreiben! Ich kann auch lesen.”
“Ich meine Prosa. Könntest du ein Buch schreiben?”
“Ein Buch?”
“Deine Memoiren.” Nina
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