Endlich wieder leben
konventionelle Rahmen gesprengt worden wäre, aber die Gewichte verlagerten sich.
Von ambivalenten Tendenzen durchzogen war auch die Unterhaltungsindustrie. Einerseits existierte großer Zuspruch für die romantisch verklärten Sehnsuchtswelten von Rudi Schuricke und seinen »Capri-Fischern« oder von René Carol mit seiner Verehrung für »Rote Rosen, rote Lippen, roten Wein«; Freddy Quinn schaffte es mit seinen Liedern von Fern- und Heimweh sogar zum ersten Schallplattenmillionär der Bundesrepublik. Andererseits erlebten die Kabaretts mit ihren bissigen, ironischen, respektlosen Kommentaren eine Hoch-Zeit, etwa die »Insulaner« und die »Stachelschweine« in Berlin, das »Kom(m)ödchen« in Düsseldorf und die »Lach- und Schießgesellschaft« in München – sogar Ost-Berlin hielt sich mit der »Distel« ein (zensiertes) Kabarett.
Der deutsche Film pendelte zwischen heiler Welt und nicht vernarbten Wunden. Voraussetzungen für einen großen Publikumserfolg, so die Filmverleiherin Ilse Kubaschewski, seien sympathische Hauptfiguren, ein Happy End, dazu »viele Bilder von der Heimat, sehr viel Musik und immer wat zum Lachen«.
Tatsächlich sind fast 300 Heimatfilme in jener Dekade nach diesem Muster entstanden, einschließlich jener österreichischen Sissi -Trilogie, die ins Monarchisch-Märchenhafte abhob: Eine schöne, unbekümmerte Prinzessin aus Bayern wird Kaiserin von Österreich. Mochte die Kritik die farbenprächtigen Filme auch als Kitsch verreißen, so erwiesen sie sich doch als Kassenschlager. Etwa vierzehn Millionen Zuschauer strömten in die Operettenverfilmung vom Schwarzwaldmädel mit Sonja Ziemann und Rudolf Prack (1950). Grün ist die Heide aus dem Jahre 1951, erneut mit dem Traumpaar Sonja Ziemann und Rudolf Prack, zog mit sechzehn Millionen noch
mehr Menschen an: Mit zauberhaften Landschaftsaufnahmen aus der Lüneburger Heide, mit guten, nur zwischenzeitlich fehlgeleiteten Menschen, mit einem Happy End und schließlich mit des Riesengebirglers Heimatlied – »Blaue Berge, grüne Täler … Riesengebirge, deutsches Gebirge, meine liebe Heimat du« – Balsam für die Seelen vieler Millionen Deutscher, die ihre Heimat durch Flucht und Vertreibung verloren hatten.
Doch es gab angesichts der Wiederaufrüstung in Westdeutschland auch Verweise auf das Grauen des Krieges etwa in Der Arzt von Stalingrad (1958) nach dem Roman von Heinz G. Konsalik. Helmut Käutner zeigte in Die letzte Brücke (1953/54) eine deutsche Oberschwester, die sich während des Krieges auf dem Balkan auch verantwortlich für verletzte jugoslawische Partisanen fühlt. In Des Teufels General (1955) – ebenfalls von Käutner – begeht ein Luftwaffengeneral mit dem Flug in einem defekten Flugzeug Selbstmord, um einem Todesurteil wegen Sabotage zuvorzukommen. Mehrfach preisgekrönt wurde Bernhard Wickis Film Die Brücke (1959), in dem Jugendliche noch in den letzten Kriegstagen eine unwichtig gewordene Brücke in einer Kleinstadt gegen anrückende Amerikaner verteidigen sollen. Wolfgang Staudtes Rosen für den Staatsanwalt (1959) zeigte schließlich die Geschichte eines Staatsanwalts, der in Adenauers Bundesrepublik fast ungestraft davongekommen wäre, obwohl er im Krieg einen Soldaten wegen einer Nichtigkeit zum Tode verurteilt hatte.
Ausländische Produktionen mit Brigitte Bardot, Gregory Peck, Vivien Leigh, Marilyn Monroe, Grace Kelly und Regisseuren wie Fred Zinnemann, Alfred Hitchcock oder Frederico Fellini lockten allerdings noch mehr Besucher ins Kino als die deutschen Streifen; sie waren künstlerisch oft ambitionierter, härter, skandalträchtiger, raffinierter. Im Jahr 1956 wurde in Westdeutschland mit 817 Millionen Zuschauern ein Besucherrekord verzeichnet, danach verlor das Kino dramatisch aufgrund des Siegeszuges des Fernsehers. 153 Amerikanische Filme waren es im Übrigen auch, die den Widerspruch der jungen Generation gegen die reglementierte heile Welt der Eltern
in Deutschland verstärkten. Eines der neuen Idole hieß Marlon Brando – als Johnny, Anführer einer Motorradgang, mischte er eine kalifornische Kleinstadt auf ( Der Wilde , 1955). Ein anderes Idol hieß James Dean – als unangepasster Jugendlicher geriet er in Konflikt mit den Eltern, als vermeintlicher Verräter wurde er von seiner eigenen Bande verfolgt. ( … denn sie wissen nicht, was sie tun, 1955). Deutschland bot mit Karin Baal und Horst Buchholz in Die Halbstarken (1956) eine eher gemäßigte Variante des Aufbegehrens an.
Die
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