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Endlich wieder leben

Endlich wieder leben

Titel: Endlich wieder leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helga Hirsch
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wurden Kontakte zum Vorsitzenden der Gesellschaft junger Liberaldemokraten in West-Berlin. Wegen angeblicher Spionage und Bildung einer konterrevolutionären Organisation wurde er im Oktober 1949 verhaftet und am 24. Juli 1951 in der Lubjanka in Moskau erschossen. 84
    Bis zur vorübergehenden Abschaffung der Todesstrafe 1947 wurden die meisten Hinrichtungen in der SBZ vollstreckt, nach der
Wiedereinführung der Todesstrafe 1950 fast alle zum Tode Verurteilten im Moskauer Butyrka-Gefängnis erschossen (960 von 1112). Ihre Leichen verbrannte man im Krematorium des Donskoje Friedhofs, ihre Asche kippte man in Massengräber.
    Die meisten jener, die in die Sowjetunion verschleppt worden waren, kehrten 1955 zurück, nachdem der westdeutsche Bundeskanzler Konrad Adenauer in Moskau die Rückkehr der Kriegsgefangenen und Zivilinternierten durchgesetzt hatte.
    Nach einem Rehabilitierungsgesetz von 1991 wurden in Moskau bis 2002 über 17 000 Rehabilitierungsanträge von Deutschen bearbeitet. Etwa 10 000 Antragsteller wurden rehabilitiert, in rund 5000 Fällen wurde die Rehabilitierung abgelehnt. 85
    Nach Gründung der DDR ging die Gerichtsbarkeit zunehmend in DDR-Hände über. Um ihren Charakter als »antifaschistischen Arbeiter- und Bauernstaat« zu unterstreichen, wurden als Erstes die berüchtigten Waldheimer Prozesse durchgeführt. Aufgrund ihrer politischen Loyalität ausgewählte DDR-Bürger, die man in Schnellverfahren zu Volksrichtern ausgebildet hatte, ließen keine Beweisaufnahmen zur Klärung belastender oder entlastender Tatsachen zu und zogen die Prozesse innerhalb kürzester Zeit ohne Zulassung von Rechtsbeiständen durch. Von April bis Juni 1950 wurden 3442 Personen zu teilweise hohen Strafen wegen Kriegs- und nationalsozialistischer Verbrechen verurteilt. Zehn demonstrativ als Schauprozesse inszenierte Fälle sollten den Eindruck vermitteln, hier stünden durchweg Personen vor Gericht, die sich – wie beispielsweise Ernst Heinicker, Sturmführer der SA und stellvertretender Lagerkommandant des Konzentrationslagers Hohnstein – schwerer Verbrechen gegen Russen, Tschechen oder Polen schuldig gemacht hätten. Die große Mehrheit der Angeklagten aber wurde aufgrund weit minderer Delikte oder Unterstellungen und ohne Nachweis der individuellen Schuld verurteilt. Die meisten erhielten Freiheitsstrafen zwischen 15 und 25 Jahren. 33 Angeklagte waren nach Abschluss der Revisionsverfahren im Juli 1950 zum Tode verurteilt, 24 dieser Urteile wurden am 4. November 1950 vollstreckt. Da sich kein Henker
fand, wurden die Verurteilten durch Volkspolizisten im Offiziersrang erdrosselt.
    Nach dem Untergang der DDR befanden das Landgericht Leipzig und der Bundesgerichtshof mehrere Richter aus den Waldheimer Prozessen unter anderem der Rechtsbeugung, des Totschlags und versuchten Totschlags für schuldig und verurteilten sie zu mehrjährigen Gefängnisstrafen.
    Die DDR-Justiz hatte von Anfang an Personen im Visier, die in Opposition oder auch nur in partiellem Widerspruch zum System standen. Als Erste traf es Bürger, die gegen die Einheitslisten bei der Volkskammerwahl im Oktober 1950 protestiert hatten. Allein im Land Sachsen waren nach einer offiziellen Statistik der Hauptabteilung Justiz in der Kanzlei des sächsischen Ministerpräsidenten 499 politische Strafsachen anhängig. 86 Danach traf es jene, die dem beschleunigten Aufbau des Sozialismus im Wege standen, wie er im Juli 1952 auf der 2. Parteikonferenz der SED beschlossen worden war. Zahllose Bürger wurden verurteilt, weil sie das landwirtschaftliche Ablieferungssoll nicht erfüllt oder rückständige Steuern nicht bezahlt hatten. 10 000 kamen auf Grundlage des Gesetzes zum Schutz des Volkseigentums ins Zuchthaus: Eine Putzfrau erhielt ein Jahr Zuchthaus, weil sie in ihrem Betrieb ein Scheuertuch entwendet hatte. Zwei junge Arbeiter zahlten ebenfalls mit einem Jahr Zuchthaus dafür, dass sie je eine Weintraube aus einem offenen Eisenbahnwaggon »gestohlen« hatten. Insgesamt saßen im Frühjahr 1953 mit rund 67 000 Häftlingen fast doppelt so viele in den Gefängnissen wie ein Jahr zuvor (37 000).
    Opfer stalinistischer Repression wurden nach der 2. Parteikonferenz auch die Kirchen, obwohl die DDR-Verfassung von 1949 Religionsfreiheit zugesichert hatte. Die Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas war bereits 1950 gänzlich verboten worden, führende Mitglieder hatten in Schauprozessen hohe Zuchthausstrafen erhalten. Insgesamt kamen 1850 Zeugen Jehovas in den

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