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Endspiel - Genie und Wahnsinn im Leben der Schachlegende Bobby Fischer

Endspiel - Genie und Wahnsinn im Leben der Schachlegende Bobby Fischer

Titel: Endspiel - Genie und Wahnsinn im Leben der Schachlegende Bobby Fischer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Brady
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für den Weltmeisterschaftskampf erhoben hatte, hielt er sich jetzt wacker zurück. Im geplanten Kampf Fischer gegen Spasski verlangte er für den Sieger 3,35 Millionen und für den Verlierer 1,65 Millionen Dollar. Der Kampf sollte, theoretisch unendlich, fortgesetzt werden, bis ein Spieler zehn Siege erzielt hatte. Remis würden nicht gezählt. Bei einem Endstand von 9:9 würde der Kampf als Unentschieden gewertet, das Preisgeld fifty-fifty geteilt, und Fischer würde seinen Titel als unbesiegter Schachweltmeister behalten. Als Letztes forderte er, dass bei dem Wettkampf eine von ihm erfundene Schachuhr eingesetzt würde.
    Bobby verlangte außerdem 500 000 Dollar Vorschuss, noch bevor er überhaupt aus Kalifornien abreiste. Ein heikler Moment. Kubat fürchtete, Vasiljevic würde sich darauf nicht einlassen, bevor Bobby nicht einen bindenden Vertrag unterschrieben hätte. Schließlich wusste jeder, dass Bobby schon öfters Projekte in letzter Sekunde hatte platzen lassen. Wenn das Match wirklich stattfinden sollte, würde Bobby sich jedenfalls mächtig zusammenreißen müssen. Doch just, als Kubat schon nach Belgrad abreisen und dort versuchen wollte, den Vorschuss loszueisen, verblüffte Bobby alle: Er unterschrieb den Vertrag auch ohne den Vorschuss. Wenige Tage später brachte Kubat dennoch das Geld. Bevor Bobby nach Jugoslawien flog, löste er seinen gesamten Haushalt auf – ein verblüffender Zug, schließlich würde er doch, wie so oft in der Vergangenheit, nur ein paar Monate weg sein. Oder? Ahnte er etwa schon, dass er nie wieder nach Kalifornien zurückkehren würde?
    Der Großteil seiner Besitztümer wanderte in 52 Kartons verpackt in einen Lagerraum. Dann flog Fischer nach Belgrad und weiter nach Montenegro. Dort inspizierte er den Veranstaltungsort und bereitete sich auf den Kampf vor. Spasski, der dem Vertrag ohne Einwände zustimmte und ihn unterschrieb, erklärte: »Fischer holt mich aus der Versenkung. Das ist ein Wunder, und ich bin dankbar.«

    Sveti Stefan, Jugoslawien, September 1992
    Manchmal, wenn der Wind richtig stand, hörte man den Widerhall massiven Artilleriefeuers, das hundert Kilometer nördlich auf Sarajevo niederging. Der Balkankrieg tobte wie nie zuvor. Im August waren in Bosnien und der Herzegowina in nur zwei Wochen über 8000 Menschen umgekommen. Millionen weitere hatten in den Monaten zuvor aus ihrer Heimat fliehen müssen. Etwa 80 Kilometer vom Austragungsort des »Rematches« entfernt kämpften in der östlichen Herzegowina bosnische Regierungstruppen gegen serbische Freischärler.
    Doch auf Sveti Stefan, einer winzigen, wunderschönen Insel vor der Küste Montenegros, herrschte am Abend des 1. Septembers Friede, Freude und Frohsinn. Fackelträger in traditioneller montenegrinischer Tracht – in weißen Pluderhosen und farbenfrohen grünen Westen – säumten die Landzunge, die die Insel mit dem Festland verband. Die Insel, einer der schönsten Flecken Europas, war in der jüngeren Vergangenheit ein Rückzugsort für Marshall Tito gewesen, heute tummelt sich dort die Prominenz.
    Ein Korrespondent der New York Times beschrieb den 49-jährigen Bobby Fischer als »übergewichtigen, kahl werdenden, bärtigen Mann mittleren Alters, dessen Gesicht gelegentlich verblüffend ausdruckslos wirkt«. Bobbys Blick war aber nicht deswegen leer, weil in seinem Kopf nichts vorgegangen wäre, sondern weil er sich schlicht nicht besonders für seine Umgebung interessierte. Nur wenige Dinge erregten seine Leidenschaft: Politik und Religion, Verschwörungen und deren Aufdeckung, Fremdsprachen, Zita und natürlich Schach.
    Er hatte sich für das Event die Haare schneiden und den Bart trimmen lassen und trug einen gut sitzenden hellbraunen Anzug, den er sich in Belgrad hatte maßfertigen lassen. Von vier Leibwächtern mit Sonnenbrillen eingerahmt – zwei vorn, zwei hinten –, schritt er mit Zita den felsigen Pfad zum edlen Hotel Maestral hinüber, einer Ansammlung befestigter Häuser aus dem 15. Jahrhundert. Als wären sie Caesar und Kleopatra beim Einzug nach Rom, lächelten und grüßten sie huldvoll nach links und rechts, wo ihre Untertanen standen. Die beiden waren unterwegs zur Eröffnungsfeier des gefeierten Rematches. Und da man sich in mittelalterlicher Umgebung befand, war auch das Unterhaltungsprogramm im Stil des 15. Jahrhunderts gehalten, mit Musikern, Volkstänzern, Akrobaten und einem Feuerwerk vor der Küste.
    Zita, die ihren 19. Geburtstag feierte, lächelte unentwegt. Ihr

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