Endspiel - Genie und Wahnsinn im Leben der Schachlegende Bobby Fischer
1992 in der Bundesrepublik Jugoslawien (Serbien und Montenegro) gegen Preisgeld einen Schachwettkampf gegen Boris Spasski auszutragen. Als amerikanischer Staatsbürger müssen Sie sich an die im präsidialen Dekret Nr. 12810 vom 5. Juni 1992 festgesetzten Bedingungen halten. Darin wurden gegen Serbien und Montenegro Sanktionen verhängt. Das Amt für Kontrolle ausländischer Vermögenswerte (FAC) beim US-Finanzministerium wurde mit der Durchsetzung des präsidialen Dekrets beauftragt.
Das Dekret verbietet US-Staatsbürgern, Verträge über kommerzielle Projekte in Jugoslawien zu erfüllen oder Dienstleistungen nach Jugoslawien zu exportieren. Hiermit informieren wir Sie, dass Ihre Bereitschaft, an dem von einem Unternehmen finanzierten Schachwettkampf teilzunehmen, als Unterstützung der kommerziellen Aktivität des Sponsors gewertet wird. Damit bewegen Sie sich außerhalb der General License Nr. 6, wonach Reisen erlaubt sind, aber keine kommerziellen Aktivitäten. Wir betrachten Ihr geplantes Antreten in einem Schachwettkampf als den Export von Dienstleistungen nach Jugoslawien, in dem Sinne, dass der jugoslawische Sponsor von Ihrem Namen und Ruf profitiert.
Verstöße gegen das präsidiale Dekret werden zivilrechtlich – Höchststrafe 10 000 Dollar pro Verstoß – und strafrechtlich geahndet – mit einer Höchststrafe von 250 000 Dollar pro Verstoß und /oder zehn Jahren Gefängnis. Sie werden hiermit angewiesen, alle oben erwähnten Aktivitäten zu unterlassen. Darüber hinaus werden Sie aufgefordert, diesem Amt innerhalb von zehn Tagen nach Erhalt dieses Schreibens Bericht zu erstatten, in dem Sie die Umstände all Ihrer Transaktionen um das geplante Schachmatch in Jugoslawien gegen Boris Spasski darlegen. Den Bericht schicken Sie an:
US-Finanzministerium, Amt für die Kontrolle ausländischer Vermögenswerte, Abteilung Vollstreckung, 1500 Pennsylvania Avenue, N.W., Anbau, 2. Stock, Washington D.C., 20220. Falls Sie in dieser Angelegenheit Fragen haben, kontaktieren Sie Merete M. Evans unter (202) 622-2430.
Hochachtungsvoll
R. Richard Newcomb
Direktor
Amt für die Kontrolle ausländischer Vermögenswerte
Kopien an:
Charles P. Pashayan jun., Esq. The Pacific Mutual Building
1418 33rd St., N.W. 523 West Sixth Street
Washington, D.C. 20007 Suite 541
Los Angeles CA 90014
Choate & Choate
Anwaltskanzlei US-Botschaft
Belgrad, Jugoslawien
Bobby, der gegen die amerikanische Regierung eine fast anarchistische Abscheu hegte und seit 1977 sämtliche Steuerzahlungen verweigert hatte, beschloss, das Schreiben zu ignorieren, das ihm immerhin 250 000 Dollar Geldstrafe und zehn Jahre Gefängnis androhte. In der Öffentlichkeit stand die Mehrheit wohl auf seiner Seite. Wollte die amerikanische Regierung ihn wirklich dafür einsperren, dass er Holzfiguren auf einem Schachbrett herumschob? Sehr wohl – fürchtete zumindest Charles »Chip« Pashayan, der Anwalt, der sich kostenlos um Bobbys juristische Angelegenheiten kümmerte. Das Schatzamt konnte ihn hinter Gitter bringen und würde das wahrscheinlich auch tun. Am 28. August beschwor Pashayan Bobby deshalb brieflich, den Wettkampf zu verschieben. Schließlich habe doch Vasiljevic in einer PR-Offensive versprochen, dem Internationalen Roten Kreuz 500 000 Dollar für die Opfer des Balkankrieges zu spenden. Pashayan hoffte, das US-Finanzministerium würde diese humanitäre Geste würdigen und Bobby vielleicht eine Sondergenehmigung erteilen. Wenn Bobby sofort heimkäme, könnte der Wettkampf später, nach Aufhebung der Sanktionen, immer noch ausgetragen werden. »Es führt kein Weg daran vorbei: Du musst der Aufforderung nachkommen«, warnte er. Doch Bobby blieb indes stur. Eine Rechtfertigung für seine Entscheidung lieferte er keine; er spielte, weil er Lust dazu hatte, weil er sich von niemandem etwas vorschreiben lassen wollte und weil er das Geld brauchte. Er reagierte, indem er seine Wut am Überbringer der Nachricht ausließ: Er entließ Pashayan (der ja ohnehin pro bono für Bobby gearbeitet hatte).
Der jugoslawische Ministerpräsident Milan Panić wünschte sich natürlich eine Durchbrechung der Sanktionen und unterstützte Bobby. Über den kommenden Wettkampf sagte er: »Stellen Sie sich nur vor, die Sanktionen verböten einem Mozart, Musik zu komponieren. Was, wenn diese Partien die großartigsten aller Zeiten werden?« Nachdem der Austragungsort des Wettkampfs mittlerweile nach Belgrad verlegt worden war, traf der Präsident Serbiens, Slobodan
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