Endspiel - Genie und Wahnsinn im Leben der Schachlegende Bobby Fischer
älteste Tochter, Zsuzsa, war mit 23 schon Großmeisterin und spielte gerade auf einem Turnier in Peru.) Bobby lechzte nach Gesellschaft und freute sich sehr über den Besuch.
Kaum waren die Polgárs wieder abgereist, fiel ihm die Decke auf den Kopf. Allmählich ging ihm das Geld aus, doch er wagte nicht, Nachschub aus der Schweiz zu holen. Wegen des Wirtschaftsembargos konnte er sich auch nichts nach Jugoslawien schicken lassen. Ohne Freunde und Schachpartner langweilte sich Bobby. (»Ich habe hier keine Freunde, nur Gliga und die Leibwächter«, schrieb er Zita.) Er brauchte einen Tapetenwechsel.
Ohne zu sagen, wohin er wollte, ließ er bei einem Anwalt in Los Angeles juristischen Rat einholen. Die Antwort wurde, ohne Nennung von Namen, telefonisch an einen Englisch sprechenden Anwalt in Magyarkanizsa übermittelt. Bobby plante heimlich, auf die Philippinen zu reisen. Nur Torre, der von dort stammte, wusste von dem Plan. Doch wie sollte er über mehrere Grenzen unbehelligt dorthin gelangen? Außerdem fürchtete Bobby, dass sein bei der UBS geparktes Geld eingefroren werden könnte, deswegen wollte er es so bald wie möglich abheben.
Am Ende entschied sich Bobby gegen die Philippinen. Sosehr er sich danach sehnte, dort zu leben, schien ihm das Risiko zu hoch. Dann erreichten ihn kurz hintereinander zwei Nachrichten, die eine gut, die andere schlecht. Die gute: Sein Geld war bei der UBS sicher, es konnte nicht eingefroren werden. Die schlimme Nachricht: Zita war schwanger, und nicht von ihm. Um Bobby darüber zu informieren, kam Zita extra aus Budapest nach Jugoslawien. Man kann sich vorstellen, wie geschockt, wie wütend und traurig Bobby gewesen sein muss. Er konnte nicht verstehen oder akzeptieren, dass Zita seine Gefühle nicht erwiderte. Seinen Heiratsantrag lehnte sie kategorisch ab. Die ganze Nacht stritten die beiden erbittert. »Er war sehr beleidigend«, erzählte Zita später. »Er hat sich sehr, sehr schlecht benommen … er hat diejenigen verletzt, die ich liebe.« Als der Tag anbrach, legte Bobby sich schlafen. Zita hinterließ ihm eine Nachricht und ging. Sein Nebenbuhler sei nicht der Grund, warum sie ihn nicht heiraten wolle. Tatsache sei, dass sie Bobby nun einmal nicht liebe.
Nach dem Aufstehen schrieb Bobby ihr einen Entschuldigungsbrief, auf den Zita jedoch nie antwortete.
Als Zsuzsa Polgár wieder nach Budapest kam, fuhr die Familie noch einmal gemeinsam mit Janos Kubat nach Magyarkanizsa. Zsuzsa erinnerte sich später so an die erste Begegnung mit Bobby Fischer: »Ich war überrascht, wie groß und breit er war. Er trug ein paar überflüssige Pfunde mit sich herum … seine Hände und Füße wirkten riesig. Er empfing mich sehr freundlich und offen. Er stellte mir eine Menge Fragen, auch zu meiner Perureise.«
Zsuzsa fragte ihn, warum er sich in Magyarkanizsa verkrieche, einem heruntergekommenen, farblosen Städtchen, wenn er auch in Budapest leben konnte, dem Paris Osteuropas, einer Stadt mit zahllosen Restaurants (sogar japanischen, die Bobby so sehr liebte), Kinos, Buchläden, Thermalbädern, Konzertsälen und Bibliotheken. Außerdem lebten dort einige gute Bekannte, die Spitzen des ungarischen Schachs: Benko, Lilienthal, Portisch, Szabó und andere.
Bobby hörte interessiert zu. Vielleicht könnte er vor Ort, in Budapest, Zita ja doch noch umstimmen? Er betrachtete die Werbung um sie als Schachproblem: »Ich habe mich schon öfters in scheinbar hoffnungslosen Situationen befunden … und trotzdem noch gewonnen!« László Polgár hatte Bobby eingeladen, er könne jederzeit im Landhaus der Familie übernachten. Blieb nur noch eine Frage: Würden die Grenzer ihn festhalten und an amerikanische Behörden überstellen?
Die Familie Polgár hatte dieses Problem auch schon bedacht und bei der Fahrt nach Jugoslawien die Zöllner einfach direkt gefragt. Die versprachen, Bobby bei der Einreise nach Ungarn keinerlei Probleme zu machen. Bobby blieb aber skeptisch. Seiner japanischen Freundin Miyoko Watai schrieb er: »Ich fürchte, die Ungarn verhaften mich, sobald ich die Grenze überschreite.«
Bobby wusste, sein nächster Zug könnte sein Leben ruinieren. Wie am Brett rechnete er seine Chancen durch und kam zu dem Schluss, dass man in verzweifelter Lage gewaltige Risiken eingehen müsse. Und so fuhren zwei Wochen später Bobby, Eugenio Torre und die zwei Leibwächter in einem Leihwagen zur ungarischen Grenze, zeigten dort ihre Pässe und wurden durchgewunken. Sollten die Grenzer Bobby
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