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Endspiel - Genie und Wahnsinn im Leben der Schachlegende Bobby Fischer

Endspiel - Genie und Wahnsinn im Leben der Schachlegende Bobby Fischer

Titel: Endspiel - Genie und Wahnsinn im Leben der Schachlegende Bobby Fischer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Brady
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Hotel Intercontinental Belgrad. Eigentlich hätte ihm zusätzlich noch etwa eine Million Dollar aus den Fernsehrechten zugestanden, doch das Geld sah Bobby nie. Joan nahm den Großteil des Preisgelds entgegen und reiste per Zug nach Zürich, wo sie bei der UBS ein Konto in Bobbys Namen eröffnete. In der Schweiz, hoffte Bobby, wäre das Geld vor dem Zugriff des amerikanischen Fiskus sicher.
    Vasiljevic plante derweil schon den nächsten Wettkampf für Bobby, gegen Ljubomir Ljubojević, den besten jugoslawischen Schachspieler und einen der stärksten Taktiker der Welt. Bobby kannte Ljubojević, die beiden schätzten sich und freuten sich schon auf ein Duell. Ausgetragen werden sollte es in Belgrad und Spanien.
    Vasiljevic handelte natürlich nicht uneigennützig. Einen Profit hatte er mit der Begegnung Fischer–Spasski bestimmt nicht gemacht, trotz aller Einnahmen aus Eintritten, Andenken, Fernsehrechten usw. Er hatte den Wettkampf veranstaltet, um weltweit auf das Embargo gegen Jugoslawien aufmerksam zu machen und den Eindruck zu erwecken, die Vereinigten Staaten erstickten mit den Sanktionen auch Kunst und Kultur. Der eng mit dem serbischen Regime verbandelte Vasiljevic wollte sich so in Jugoslawien den Anstrich eines Volkshelden geben – dabei war er schlicht ein Anlagebetrüger. Nur wenige Monate später stürzte sein Kartenhaus zusammen: Seine Banken hatten nach dem Pyramidensystem gearbeitet, die 15 Prozent Garantiezins auf Einlagen bezahlte er aus den Einlagen neuer Kunden. Als das System schließlich kollabierte, verloren 500 000 Kunden insgesamt 1,6 Milliarden Euro. Vasiljevic selbst setzte sich nach Israel ab, angeblich mit Tüten voller Geld. Jahre später wurde er nach Serbien ausgeliefert und dort inhaftiert. Bobby, der mit Vasiljevic lange prima ausgekommen war, überwarf sich irgendwann auch mit ihm und bezeichnete ihn danach als Agenten des Zionismus. Natürlich wusste Bobby, dass sein 3,5 Millionen Dollar-Preisgeld schlicht Vasiljevics Bankkunden gestohlen worden war. Doch es zurückzugeben, kam ihm nie in den Sinn.
    Presseberichten zufolge sollte Bobby angeklagt und in die Vereinigten Staaten ausgeliefert werden. Mitte Dezember bekam Bobby einen Anruf von seinem Anwalt: Ein Großes Bundesgeschworenengericht (zuständig für »kapitale und niederträchtige Verbrechen«) werde in dieser Angelegenheit zusammenkommen und fast sicher für eine Anklage stimmen. Bobbys Spucken auf den Brief der Regierung hatte das Fass offenbar zum Überlaufen gebracht. Bobby floh umgehend aus Belgrad, begleitet von seinem Sekundanten Eugenio Torre und zwei Bodyguards. Er verkroch sich in der Kleinstadt Magyarkanizsa ganz im Norden Serbiens, an der Grenze zu Ungarn. Da die dort lebende Bevölkerung ohnehin zu 90 Prozent aus Ungarn bestand, gab es fast keinerlei Grenzkontrollen. Zita könnte ihn also mühelos besuchen. Und wenn Bobby aus Jugoslawien fliehen müsste, ginge das an diesem verschlafenen Außenposten vermutlich risikolos. Bobby genoss die Ruhe in der »Stadt der Stille« … anfangs zumindest.
    Am 15. Dezember 1992 erhob das Große Geschworenengericht Anklage gegen Bobby Fischer. Der Vorwurf: Bruch des durch Befehl von Präsident George Bush (sen.) verhängten Embargos. Bobby wurde davon brieflich in Kenntnis gesetzt. Nach Anklageerhebung stellten die Strafverfolgungsbehörden einen Haftbefehl gegen Bobby aus. Blieb nur noch die Frage, wie bald und wie nachdrücklich die Regierung tatsächlich versuchen würde, diesen Haftbefehl auch durchzusetzen.
    Mitten im Winter gab es in Magyarkanizsa nicht viel zu tun. Um sein Inkognito zu wahren, vermied Bobby jede Korrespondenz. Wenn er telefonierte, ließ er einen Bodyguard anrufen und sich den Hörer geben, wenn sein gewünschter Gesprächspartner in der Leitung war. Er hinterließ keine Nummer für Rückrufe. Um möglichst unsichtbar zu bleiben, schlief er erst in einem kleinen Hotel, dann in einer Herberge am Rand der Stadt. Als der Frühling kam, zog er in eine Wellness- und Reha-Klinik, weil das Haus über ein Schwimmbecken und einen Kraftraum verfügte. Dort hielt er sich fit. Nach einer Weile wechselte er das Hotel erneut. Gelegentlich besuchte ihn sein alter Freund Svetozar Gligorić und blieb etwa eine Woche.
    Ende Mai 1993 bekam er Besuch von der Familie Polgár, der berühmten ungarischen Schachfamilie. Vater László kam mit zweien seiner hochbegabten Töchter, der 16-jährigen Judit und der 19-jährigen Zsófia. Beide waren Schach-Wunderkinder. (Die

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