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Endspiel - Genie und Wahnsinn im Leben der Schachlegende Bobby Fischer

Endspiel - Genie und Wahnsinn im Leben der Schachlegende Bobby Fischer

Titel: Endspiel - Genie und Wahnsinn im Leben der Schachlegende Bobby Fischer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Brady
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anders geartete Leidenschaft: das Schwimmen. Regina sandte den Achtjährigen auf Ferienfreizeit in die Vandermeer Nursery School. Während der Sommerferien nahm das Institut, eigentlich eine Kindertagesstätte, auch Schulkinder auf. Regina oder Joan brachten ihn morgens hin und holten ihn abends ab. Bobby war fest entschlossen, die Ferienfreizeit zu hassen. Doch wider Erwarten fand er Gefallen an den vielfältigen Sportmöglichkeiten. Im großen Freischwimmbecken des Instituts lernte er schwimmen.
    In den folgenden Jahren trainierte Bobby jeden Sommer im Feriencamp für ein weiteres Schwimmabzeichen – wenn er nicht gerade über einem Schachbrett grübelte. Die Prüfungen zum »Freischwimmer«, dann zum »Fahrtenschwimmer« bestand er mühelos. Er liebte das Wasser und den Wettkampf. Er war schnell, ehrgeizig und reaktionsschnell. Kaum blies der Schwimmlehrer in seine Pfeife, sprang er bereits ab und tauchte oft schon ins Wasser ein, während die anderen Kinder noch mitten im Sprung waren. Das Schwimmen erlaubte ihm körperliche Ertüchtigung nach all den Stunden, die er still vor einem Schachbrett oder einem Buch gesessen hatte. Er fand großen Spaß daran, durch das Wasser zu pflügen. Doch außer Schach und Schwimmen bereitete ihm tatsächlich kaum etwas Vergnügen.
    Regina fürchtete um Bobbys Zukunft, wenn er nicht bald anfinge, seine Schularbeiten ernster zu nehmen. Außerdem fand sie, dass sein Interesse für Schach krankhafte Ausmaße erreichte. War er am Ende gar schachsüchtig?
    Doch bei Nigro stieß sie mit ihren Ängsten auf taube Ohren. Ganz im Gegenteil ermutigte Nigro Bobby nur, mehr zu spielen, mehr Theorie zu lernen und Spielpraxis auf Turnieren zu sammeln. Bobby wurde Nigros Schützling und Schachkumpan. Da Nigro wusste, wie es um Reginas Finanzen stand, verlangte er nie Geld für Bobbys (Musik- und Schach-) Unterricht. Nigro und Bobby begannen, unter Turnierbedingungen gegeneinander zu spielen, mit Schachuhr und einer Bedenkzeit von insgesamt zwei Stunden pro Partie. Bobby schien von Tag zu Tag stärker zu werden. Wie besessen paukte er Theorie, bis er schließlich die Mehrzahl seiner Partien gegen Nigro gewann.
    Bobby reagierte fassungslos, als Regina ihm erklärte, sie wolle psychologischen Rat einholen, ob man etwas gegen seine Schachmanie tun könne oder müsse. Sie schleppte den Jungen zu Dr. Harold Kline von der kinderpsychiatrischen Abteilung des jüdischen Krankenhauses Brooklyn. Da Bobby sich unkooperativ zeigte, verzichtete Dr. Kline auf die üblichen Persönlichkeits-, Intelligenz- oder Interessentests, die man sonst zur Einschätzung von Kindern verwendete. Stattdessen unterhielt er sich einfach mit dem Jungen. »Ich weiß nicht«, antwortete Bobby missmutig auf die Frage, warum er so viel Zeit mit Schach und so wenig mit Hausaufgaben verbringe. »Ist halt so.« Dr. Kline ermahnte den Jungen nur, die Schule nicht zu vernachlässigen, und bat ihn, das Zimmer kurz zu verlassen. Dann erklärte er Regina, sie müsse sich keine Sorgen um den Jungen machen. Kinder seien oft phasenweise fasziniert oder geradezu besessen von Spielen, Spielzeugen, Sportarten und anderen Dingen, aber diese Obsessionen legten sich von selbst wieder. Dr. Kline hielt Bobby nicht für neurotisch und empfahl keine Therapie. »Neurotisch« erkläre ohnehin überhaupt nichts, fügte er hinzu und betonte, Bobby schade weder sich noch anderen, außerdem sei Schachspielen vermutlich gut fürs Gehirn. Regina solle ihn nur gewähren lassen. Und Bobbys Allergie gegen Hausaufgaben sei ja beileibe nichts Außergewöhnliches. Vielleicht, schlug er vor, könne Regina einen Teil seiner Hausaufgaben als eine Art Spiel organisieren. Möglicherweise wecke das sein Interesse.
    Damit gab sich Regina nicht zufrieden; sie holte eine zweite Meinung ein. Sie wusste von einem Psychiater, der gleichzeitig Schachmeister war. Dr. Ariel Mengarini war nichtanalytischer Neuropsychiater im Staatsdienst und liebte das Spiel ebenso sehr wie Bobby. Er verriet Regina, wie fasziniert er selbst von Schach sei, und sagte ihr noch etwas anderes, das sie nicht gerne hörte: »Ich sagte ihr, es gebe viel Schlimmeres, als sich dem Schach zu verschreiben, sie solle Bobby nur seinen Weg gehen lassen.«
    Allmählich verbesserten sich Bobbys Leistungen im Schachclub Brooklyn. Nach ein paar schwierigen und gelegentlich entmutigenden Jahren gewann er nun die Mehrzahl seiner Partien. Seine Gegner zeigten sich beeindruckt von seiner Hartnäckigkeit und den

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