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Endspiel - Genie und Wahnsinn im Leben der Schachlegende Bobby Fischer

Endspiel - Genie und Wahnsinn im Leben der Schachlegende Bobby Fischer

Titel: Endspiel - Genie und Wahnsinn im Leben der Schachlegende Bobby Fischer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Brady
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    Ein Glanzlicht seiner Integration in der Community Woodward wurde gesetzt, als er in die Baseballmannschaft aufgenommen wurde und sich allmählich zu öffnen begann. Er begeisterte sich für das Spiel und konnte von daheim wie von der Schule aus den Radau des Publikums vom nahen Ebbets Field herüberhören, dem Stadion der Brooklyn Dodgers. Manchmal besuchte die ganze Klasse gemeinsam ein Heimspiel. Beim Schlagen und im Feldspiel bewies Bobby Geschick, und er lief schnell, auch wenn ihm beim Ablaufen der Bases ein wenig die Koordination fehlte. »Er weckte hier großes Interesse an Schach«, erinnerte sich einer seiner Lehrer später. »Ganz mühelos fertigte er seine Gegner ab, auch die Lehrkräfte. Er wollte immer unbedingt gewinnen, egal, ob er jetzt Schach, Baseball oder Tennis spielte. Wäre Bobby neben einem Swimmingpool zur Welt gekommen, wäre er Schwimmchampion geworden. Es wurde nur zufällig Schach.«

    Einmal kam Bobby nach der Schule heim und fand die Wohnung wie so oft leer vor. Joan war noch in der Schule, Regina in der Schwesternschule; hinterher musste sie zum Lernen in die Bibliothek, danach hatte sie Nachtschicht. Auf einem Küchenstuhl stand ein aufgestellter kleiner blauer Notizblock mit Spiralbindung. Auf dem Blatt stand:
    Lieber Bobby, iss Reis und Suppe auf. Milch im Kühlschrank. Vielleicht komme ich nach drei kurz vorbei, um Einkäufe abzuladen, dann geh ich lernen.
    Deine M.
    Allein daheim – das war der Normalfall in Bobbys Leben, seit Regina entschieden hatte, sie könne ihren Sohn jetzt unbeaufsichtigt in der Wohnung lassen. Gut möglich, dass dieses ständige Alleinsein Bobby zum Schach trieb. Wenn er vor dem Brett saß, oft am Küchentisch, wurden die Figuren zu seinen Gefährten. Und das geöffnete Schachbuch daneben wurde sein Mentor. Dennoch litt Bobby unter der Einsamkeit. Gern hätte er einen Freund gehabt, einen Jungen, mit dem er herumtoben und Abenteuer hätte erleben können. Da Schach in seinem Leben aber eine überragende Rolle spielte, hätte dieser Freund das Spiel auch beherrschen müssen, und zwar richtig gut, damit Bobby nicht gleich wieder das Interesse verlor.
    Etwas in Bobby drängte ihn zwanghaft, immer tiefer in die Geheimnisse des Schachs einzudringen. Stundenlang konnte er völlig versunken vor dem Brett sitzen. Er war froh, wenn die grelle Wintersonne nicht mehr durch die kaputte Jalousie des Küchenfensters schien; sie störte ihn beim Denken. Wenn Joanie oder Geenie – wie sie von ihren Freunden genannt wurden – am späten Nachmittag oder frühen Abend heimkamen, saß Bobby oft im Halbdunkel und starrte auf das Brett, völlig in Gedanken versunken.
    Einerseits kam Bobbys Selbstständigkeit Regina zupass, andererseits fürchtete sie, er verbringe zu viel Zeit allein daheim. Deswegen suchte sie jemanden, der ihm Gesellschaft leisten sollte. Geld war wie üblich keines da; selbst eine eher symbolische Bezahlung für eine Aufsicht hätte Regina kaum zusammenbekommen. Deshalb setzte sie folgende Anzeige in die Campuszeitschrift des nahe gelegenen Brooklyn College:
    Babysitter gesucht für Schuljungen, 8 Jahre alt. Abende, gelegentlich Wochenenden, im Austausch gegen Zimmer und Küchenbenutzung. Sterling 3-4110, 19 bis 21 Uhr.
    Ein junger Mathematikstudent meldete sich – er konnte sogar Schach –, doch aus unbekannten Gründen nahm er den Job nicht an. Bobby blieb also allein.
    Anders als Joan schien Bobby sich nicht besonders für die Schule zu interessieren, seine Hausaufgaben hudelte er möglichst schnell hin, um wieder zum Schach zurück zu können. Regina schaffte es kaum mehr, sich gegen ihn durchzusetzen. »Ich will Schach spielen!«, forderte er mit der Bestimmtheit eines Kronprinzen. Und ging zum Schachbrett, mit oder ohne Erlaubnis seiner Mutter. Die Schularbeiten blieben halb erledigt.
    Dabei konnte Bobby genauso hart arbeiten wie Schwester und Mutter, aber eben nur auf einem Feld: dem Schachbrett. Ihn interessierte einfach, wie man mit Turm und Bauer einen König schachmatt setzte, nicht, welche die drei Gewalten in einem Staat waren oder wo man in einer Division das Komma setzte. Alle drei Fischers saßen ständig über Büchern und lernten, wie ideale Talmudschüler: Joan brütete über Schulbüchern, Regina über Medizinlehrbüchern, Bobby über Schachbüchern. Oft herrschte in der Wohnung die Atmosphäre einer Bibliothek.
    Ganz unerwartet entdeckte Bobby im Sommer 1951 eine völlig neue und ganz

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