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Endspiel - Genie und Wahnsinn im Leben der Schachlegende Bobby Fischer

Endspiel - Genie und Wahnsinn im Leben der Schachlegende Bobby Fischer

Titel: Endspiel - Genie und Wahnsinn im Leben der Schachlegende Bobby Fischer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Brady
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herausragenden Gespür für Stellungen. Bernard Zuckerman, der fast ebenso eifrig wie Bobby Schachtheorie lernte, insbesondere Eröffnungen, war fast auf den Tag gleich alt wie Bobby und wurde später Internationaler Meister. Asa Hoffmann, wie Bobby Jahrgang 1943, war der Sohn zweier Spitzenanwälte und wurde später Meister. Er beherrschte auch andere Brettspiele wie Scrabble und Backgammon meisterlich und erwarb sich den Ruf, ein ausgemachter Zocker zu sein: Je höher der Einsatz stieg, desto stärker wurde er. Jackie Beers, ein kleiner junger Mann mit charmantem Lächeln und aufbrausendem Temperament, errang sich Bobbys Respekt, weil er ihm im Blitzschach fast das Wasser reichen konnte. James Gore, ein rothaariger Lulatsch, der sich schon als Teenager kleidete wie ein Banker und seine unterlegenen Gegner von oben herab behandelte, übte einen großen Einfluss auf Bobby aus. Später ließ Fischer all diese jungen Spieler weit zurück, aber mit ihrem risikofreudigen und fantasievollen Stil stellten sie ihn vor interessante Herausforderungen und halfen ihm so, besser zu werden.
    Bobby spielte täglich bis zu hundert Blitzpartien gegen seine Freunde und Rivalen. Mit der Zeit, als die Buben zu jungen Männern he­ranwuchsen, entwickelte sich Bobby zu ihrem Anführer: Wenn er etwas wollte, bekam er es; wohin er auch ging, seine Jünger folgten ihm. »Noch eine«, forderte er unersättlich und baute die Figuren neu auf. Niemand lehnte ab. Dr. Stuart Margulies – ein späterer Schachmeister – war einige Jahre älter als Bobby und erinnerte sich gerne: »Ich habe es genossen, gegen Bobby zu spielen, echt genossen .« Gegen Bobby anzutreten, das war, wie die Poesie Robert Frosts zu lesen oder ein langes, heißes Bad zu nehmen. Hinterher fühlte man sich wunderbar. Mal lernte man etwas dazu, mal wurde man Zuschauer oder Opfer eines grandiosen Spektakels. Was machte es da, dass man die meisten Partien gegen ihn verlor? Viele Spieler lächelten nach einer Niederlage gegen Bobby, in Anerkennung seiner Brillanz.
    Einer der ersten Großmeister, die Bobby im Club traf, war Nicholas Rossolimo, der amtierende Champion der American Open und ehemalige französische Meister. Bei ihrer ersten Begegnung saß Rossolimo auf einer Couch, aß einen Bagel mit Lachs und Hüttenkäse und sprach mit vollem Mund. Aufgrund des Bagels und Rossolimos ausgeprägten Akzents verstand Bobby kein Wort. Dennoch fühlte sich der Junge sehr geehrt, dass ein Champion mit ihm geredet hatte.
    Nur wenige Monate nach seinem ersten Besuch im Club beherrschte Bobby, zusammen mit Lombardy und Gore, die wöchentlichen Blitzschachturniere, bei denen Spieler pro Zug zehn Sekunden Bedenkzeit hatten. Wehmütig verglich der 80-jährige Harold M. Phillips, ein Meister und Vorstandsmitglied, Bobbys Stil mit demjenigen Capablancas. Phillips erinnerte sich noch gut daran, wie der damals 17-jährige Kubaner 1905 dem Club beigetreten war.
    Jetzt, da Bobby sich im Manhattan seine ersten Sporen verdient hatte, kam die Zeit, da er sich auch auf Turnieren beweisen sollte. 1955 meldete Nigro seinen Schützling zur amerikanischen Amateurmeisterschaft an. Zu dem Ende Mai stattfindenden Turnier waren keine Spieler mit Meisterstärke zugelassen, damit schwächere und weniger erfahrene Spieler auch eine Chance hätten. Das Turnier fand in einem Hotel am Mohegan-See statt, nördlich von New York City, und wurde im Schweizer System ausgetragen: Jeder Teilnehmer spielte sechs Runden und sammelte dabei Punkte, am Ende gewann derjenige mit der höchsten Punktzahl.
    Auf der Autofahrt nach Norden unterhielten sich Nigro und Bobby wie gewohnt über Schach. Der Junge erörterte Theorien, die er gelesen hatte, und erkundigte sich nach Vorzügen und Nachteilen bestimmter Züge, die er oder ein Gegner im Schachclub Manhattan gemacht hatten. Erst nach einer Weile erwähnte Bobby das bevorstehende Turnier. Wer sich wohl Nigros Meinung nach gemeldet hätte? Wie stark die anderen Spieler wohl wären? Wie er, Bobby, sich wohl schlagen würde?
    Nigro spürte die Unsicherheit des Jungen und versuchte, ihn zu beruhigen. Er erklärte Bobby, wie wichtig es für ihn sei, jetzt Wettkampf­erfahrung zu sammeln. Bobby wurde immer stiller, knabberte an den Fingernägeln und starrte aus dem Fenster.
    Als sie am Austragungsort angekommen waren und Nigro gerade die fünf Dollar Anmeldegebühr bezahlen wollte, machte Bobby plötzlich einen Rückzieher. Er sagte, er habe Leute im See baden und rudern gesehen. Das

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