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Endspiel - Genie und Wahnsinn im Leben der Schachlegende Bobby Fischer

Endspiel - Genie und Wahnsinn im Leben der Schachlegende Bobby Fischer

Titel: Endspiel - Genie und Wahnsinn im Leben der Schachlegende Bobby Fischer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Brady
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wäre doch was! Außerdem gab es einen Tennisplatz! Nigro versuchte, Bobbys Aufmerksamkeit wieder zurück aufs Schach zu lenken.
    Nigro verstand, dass Bobby Angst hatte, sich zu blamieren. Schließlich gelang es ihm doch noch, den Jungen zur Teilnahme zu überreden. Bobby trat an, erreichte aber nicht mal die Hälfte aller möglichen Punkte. Hatte es an mangelndem Selbstvertrauen gelegen? Jahre später erinnerte sich Bobby, dass er mit dem Ergebnis gehadert und sich Nigros Rat zu Herzen genommen habe: »Du kannst nicht jede Partie gewinnen. Du kannst nur jedes Mal dein Bestes geben.«
    Wenige Monate später meldete sich Bobby für die amerikanische Juniorenmeisterschaft in Lincoln (Nebraska) an, entschlossen, seine Schmach wiedergutzumachen. Da Nigro zu Hause Unterricht geben musste und Regina mit Studium und Job vollauf beschäftigt war (und außerdem schon seit drei Wochen unter chronischen Lungenproblemen litt), musste Bobby allein nach Nebraska reisen.
    Ungeduldig wartete er in der Pennsylvania Station, während Regina ihm eine Fahrkarte über Philadelphia nach Nebraska zu kaufen versuchte. Sie hatte das Fahrgeld mühsam zusammengekratzt und war wild entschlossen, ihn nach Nebraska zu schaffen. Bobby, so der Plan, sollte zuerst nach Philadelphia fahren, dort einen weiteren Turnierteilnehmer, Charles Kalme, treffen und mit ihm gemeinsam die 2200 Kilometer nach Lincoln zurücklegen. »Wie alt ist Ihr Sohn, Ma’am?«, fragte der Schalterbeamte. Als er erfuhr, dass Bobby erst zwölf war, weigerte er sich, eine Fahrkarte auszustellen. »Er ist zu jung, um die ganze Strecke allein zu fahren.« »Aber verstehen Sie doch«, bettelte Regina. »Er muss fahren. Es geht um sein Schach!« Der Beamte musterte Bobby über seine Brille hinweg. »Warum haben Sie nicht gleich gesagt, dass der Bub zu ärztlicher Behandlung reist?« Noch Jahre später brachte dieser Vorfall Bobby zum Schmunzeln: »Danach hat er uns das Ticket umstandslos verkauft. Er hatte das englische Wort für Schach ( chess ) mit dem Begriff für Brust ( chest ) verwechselt. Einigermaßen nervös schickte Regina ihren Schachzwerg los. Sie hängte ihm eine große Erkennungsmarke um den Hals, in die Bobbys Name, die New Yorker Adresse und Telefonnummer eingraviert waren. »Nur für den Fall«, sagte sie. »Nimm sie nie ab.« Und das tat er auch nicht.
    Charles Kalme, ein aus Litauen stammender 16-Jähriger, hatte Jahre in Flüchtlingslagern verbracht. Jetzt war ein gut aussehender, höflicher junger Mann aus ihm geworden. Er trat in Lincoln an, um seinen Titel als amerikanischer Juniorenmeister zu verteidigen. Auf der zweitägigen Fahrt spielten die beiden Dutzende schneller Partien gegeneinander, analysierten Eröffnungen und Endspiel-Stellungen. Kalme spielte zwar erheblich stärker, zeigte sich von Bobbys Leidenschaft aber schwer beeindruckt.
    Unglücklicherweise herrschte während des Turniers eine drückende Hitze von über 38 Grad. Und Civic Hall, der Ballsaal, in dem die Spiele ausgetragen wurden, verfügte über keine hinreichende Kühlung. Der zwölfjährige Bobby war der jüngste der 25 Teilnehmer. Der nächstältere war 13, es traten aber auch mehrere recht spielstarke 20-Jährige an. Ron Gross, der ein wenig älter und erfahrener war als Bobby, erinnerte sich später: »Fischer war mager und zapplig, distanziert, aber freundlich. Er war kein schlechter Verlierer. Er wurde nach Niederlagen nur ganz still. Dann nestelte er noch mehr an seiner Erkennungsmarke herum und stellte seine Figuren gleich wieder für das nächste Spiel auf.« Regina rief Bobby jeden Tag an, um sich zu vergewissern, dass alles in Ordnung war. Am Ende des Monats belief sich ihre Telefonrechnung auf 50 Dollar; das war mehr als die Miete.
    In seinen zehn Turnierbegegnungen schaffte Bobby insgesamt ein ausgeglichenes Ergebnis: zwei Siege, zwei Niederlagen, sechs Remis. Hinterher ärgerte er sich: »Ich habe mich nicht gut verkauft.« Trotzdem bekam er als bester Spieler unter 13 einen hübschen Pokal. »Ich war der einzige Spieler unter 13!«, betonte Bobby sofort. Der Pokal war ziemlich groß und schwer, dennoch bestand Bobby darauf, ihn selbst nach Brooklyn zu bringen, anstatt ihn sich schicken zu lassen. »Er hat mir einen Riesenkick gegeben«, erinnerte er sich, auch wenn er den Pokal nicht für herausragendes Spiel bekommen hatte. Sein Reisegefährte, Charles Kalme, wiederholte seinen Triumph vom Vorjahr und wurde erneut Meister. Er kehrte nach dem Turnier jedoch nicht sofort an

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