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Endspiel - Genie und Wahnsinn im Leben der Schachlegende Bobby Fischer

Endspiel - Genie und Wahnsinn im Leben der Schachlegende Bobby Fischer

Titel: Endspiel - Genie und Wahnsinn im Leben der Schachlegende Bobby Fischer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Brady
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biss Bobby Gilbert Ramirez in den Arm. Noch 50 Jahre später zeigte Ramirez die Narbe gern her, als wollte er sagen: »Das ist der Arm, in den Bobby Fischer gebissen hat.« Irgendwann brach der Wagen dann endgültig zusammen, und die Jungen mussten per Bus weiterfahren. Erst am Vorabend des Turnierstarts kamen sie in Cleveland an.
    Vor seiner ersten Partie hatte Bobby eine Wertungszahl von 2298, womit er zu den zehn besten aktiven Spielern des Landes gehörte. An dem zweiwöchigen Turnier über zwölf Runden nahmen 176 Spieler teil. In der ersten Runde bekam Bobby einen Kanadier zugelost, der gemeldet war, aber nicht erschien. Bei Spielbeginn machte Bobby mit Weiß einen Zug und drückte auf seine Schachuhr, wodurch die Zeit des abwesenden Gegners zu laufen begann. Bobby wartete eine Stunde, dann wurde ihm der Sieg zugesprochen, und Bobby bekam einen mühelos erworbenen Punkt – der ihn kurioserweise beinahe den Turniersieg gekostet hätte. Von den nächsten fünf Spielen gewann Bobby drei, zwei endeten remis. Eines der Remis erkämpfte er gegen den 27-jährigen Arthur Bisguier, Titelverteidiger und einer der stärksten Spieler der Nation.
    In der zweiten Hälfte des Turniers gewann Bobby fünf Partien hintereinander, und ein Podiumsplatz war ihm schon sicher. Aber würde es auch für den Titel reichen? Während des Turniers hatten etliche Spieler Grippe bekommen und Partien abgeben müssen. Bobby versuchte, sich fit zu halten, indem er viel schlief, gesund aß und den anderen Spielern möglichst aus dem Weg ging. Letztlich hatten die grippebedingten Ausfälle aber keinen Einfluss auf seine Paarungen oder Punktzahl.
    In der letzten Runde traf Bobby auf Walter Shipman, den Mann, der ihn im Schachclub Manhattan willkommen geheißen hatte. Shipman stand im Ruf, ein furchterregender, beharrlicher Spieler zu sein. Die Partie entwickelte sich gar nicht nach Bobbys Geschmack, weshalb er beim 18. Zug Shipman ein Remis anbot. Der nahm sofort an. Damit kam Bobby auf ein Endergebnis von 10 zu 2. Der amtierende Champion Arthur Bisguier erreichte ebenfalls 10 zu 2. Doch wer würde zum Turniersieger und Champion der Vereinigten Staaten erklärt?
    Bobby, Bisguier und etwa 20 weitere Neugierige scharten sich um den Tisch des Turnierleiters, als der die Regeln für die Ermittlung des Siegers bei Gleichstand anwendete. Ein Stechen kam nicht infrage, weil Turniere in Amerika in angemieteten Ballsälen stattfinden, die nur für bestimmte Zeit zur Verfügung stehen. Außerdem haben ja Spieler ihre Heimflüge fest gebucht. Also muss der Sieger auf andere Art ermittelt werden. Dafür gibt es die verschiedensten Systeme, die oft kompliziert sind, abstrakt wie mathematische Theoreme – und umstritten.
    Während sie auf die Entscheidung warteten, fragte Bisguier Bobby, warum er Shipman das Remis angeboten habe, obwohl er doch leicht im Vorteil gewesen und der Ausgang des Spiels durchaus noch offen gewesen sei. Hätte Bobby die Partie gewonnen , wäre er mit einem halben Punkt Vorsprung alleiniger Sieger des Turniers geworden. Bobby antwortete, er habe auf Nummer sicher gehen wollen. Er wusste, mit dem Remis war ihm der erste Platz nicht mehr zu nehmen. Nun, da Bisguier seine letzte Partie gewonnen hatte, musste er das Preisgeld halt mit ihm teilen (egal, wem der Titel nun zugesprochen würde). Die halbe Siegprämie, 750 Dollar, stellte für Bobby ein Vermögen dar. Da erkannte Bisguier, dass für Bobby die Siegprämie eine größere Rolle spielte als der Titel, und sei der noch so prestigeträchtig. Bisguier befand: »Offenkundig trifft er nicht nur auf dem Schachbrett reife Entscheidungen.«
    Der Turnierleiter rechnete weiter, blickte schließlich auf und erklärte Bisguier zum Sieger. An die Momente danach erinnerte Bobby sich später so: »Ich ging zur Telefonzelle, um meiner Mutter die traurige Nachricht mitzuteilen. In der angrenzenden Zelle telefonierte Bisguier und berichtete seiner Familie von seinem Sieg.« Danach gingen beide in den Turnierraum zurück, um sich die Schlussphasen der letzten Spiele anzusehen.
    Zwei Stunden später verkündete der Turnierleiter, dass er sich verrechnet hätte. Nach dem Median-System der Siegerermittlung, das bei allen Turnieren des amerikanischen Schachbunds zur Anwendung kam, musste die Spielstärke aller Gegner von Bobby beziehungsweise Bisguier addiert werden. Dann strich man die zwei höchsten und die zwei niedrigsten Werte. Wer dann die höhere Zahl hatte – also im Schnitt gegen die

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