Endspiel - Genie und Wahnsinn im Leben der Schachlegende Bobby Fischer
weil nur das Allerbeste gut genug war.
Wenn er dort genug hatte, zog Bobby ums Eck in den nur einen Rösselsprung entfernten Buchladen an der University Place. Der Laden verfügte über eine Schachecke (mit niedrigeren Preisen als Buschke) und spezialisierte sich außerdem auf karibische und radikale Literatur. In dieser Buchhandlung traf Bobby einen kleinen Mann namens Archie Waters, der nicht nur Schachspieler war, sondern auch Weltmeister in einer Variante des Damespiels. Waters spielte in Harlem und anderen Stadtvierteln um Geld, war von Beruf aber Journalist. Er hatte zwei Bücher über seine Variante des Damespiels geschrieben. Er brachte Bobby die Feinheiten des Spiels bei, schenkte ihm die beiden von ihm verfassten Bücher und wurde zu einem lebenslangen Freund. Pflichtbewusst las Bobby Waters’ Geschenke und ein paar weitere Damebücher, nahm aber nie an einem Turnier teil. Ihm gefiel das Spiel, aber es war ihm nicht anspruchsvoll genug. Das Einzige, was Schach und Dame gemein hätten, sagte er, sei das Brett mit seinen schwarzen und weißen Quadraten.
In der Schachwelt genoss Bobby mit 14 schon eine gewisse Berühmtheit, und die Massenmedien fanden in seinen ungewöhnlichen Lebensumständen gefundenes Fressen für spannende Berichte: ein armes Kind aus Brooklyn, das sich nur für Schach zu interessieren schien, sich nachlässig oder zumindest lässig kleidete, einsilbig antwortete, aber die renommiertesten Meister des Fachs besiegte. Mit jeder Geschichte wuchs sein Bekanntheitsgrad, und Regina, die sich über die Zukunft ihres Sohnes Sorgen machte, versuchte, ihm nach Kräften dabei zu helfen, die öffentliche Aufmerksamkeit in Geld umzumünzen. Ihr oft zitierter Satz, sie hätte alles versucht, ihren Sohn vom Schach abzubringen, »aber es war hoffnungslos«, rutschte ihr einmal heraus, als man ihr vorwarf, sie hätte Bobby zu einseitig erzogen. Die Wahrheit lautete: Sie kannte Bobbys Lebenstraum, der beste Schachspieler der Welt zu werden. Wie jede Mutter hoffte sie, dass ihr Kind sich seinen Traum erfüllte, und unterstützte ihn nach Kräften. Sie wurde zu seiner unbezahlten Presseagentin, Fürsprecherin und Managerin.
Von diesem Zeitpunkt an nahm Bobby an keinem Turnier oder Schaukampf mehr teil, ohne dass Regina das Ganze mit einer Presseerklärung groß ankündigte. Sie sammelte die Adressen und Telefonnummern aller größeren Radio- und Fernsehsender, Zeitungen und Zeitschriften in New York, und wenn ihre Presseerklärung nicht genug Echo erzeugte, rief sie Redakteure an, schrieb persönliche Briefe oder – typisch für Mütter prominenter Kinder – ging sogar direkt in Redaktionen, um ihren Sohn zu promoten. I. A. Horowitz, der Herausgeber der Chess Review, bezeichnete sie als »Landplage«, weil sie ihn ständig löcherte, mehr für Bobby zu trommeln. (Regina versuchte auch, in verschiedene Radio- und Fernsehquizshows zu kommen, um ein bisschen Extra-Geld zu verdienen. Bei einigen Fernsehquizshows wie Top Dollar und Lucky Partners schaffte sie es in eine Vorauswahl, doch trotz ihrer Intelligenz und Bildung wurde sie nie genommen.)
Regina war bereit, aus Liebe ihre eigenen Interessen hintanzustellen und ihr Möglichstes zu tun, um Bobbys Traum wahr werden zu lassen. Während Bobby noch schwankte, ob er beim Weihnachtsturnier in Hastings oder zur amerikanischen Meisterschaft antreten solle, schrieb Regina an Maurice Kasper, den Vorsitzenden der amerikanischen Schachstiftung: »Ich hoffe, Bobby wird eines Tages ein großer Schach-Champion. Denn er liebt Schach mehr als alles andere.«
Während Bobby auf Turnieren im In- oder Ausland spielte, schickte sie ihm oft Briefe und Telegramme, in denen sie ihn anfeuerte und bemutterte. Zum Beispiel: »Ich höre, du hast nach zwei Runden 1½ Punkte. Toll! Mach so weiter, aber verausgabe dich nicht. Schwimme und vergiss dein Mittagsschläfchen nicht.«
Schließlich wurde Bobby dank Reginas Hartnäckigkeit zu einer Vorauswahl für den Quotenschlager The 64 000 Dollar Question eingeladen (dem Urahnen von Wer wird Millionär? ). In dem Fernsehquiz würde es um Schachfragen gehen, um die Geschichte des Spiels und die Mythen drumherum. Einige weitere Kandidaten wurden ebenfalls zum Casting eingeladen. Der 14-jährige Bobby kam in seiner unvermeidlichen Cordhose und in einem Flanellhemd mit Button-down-Kragen zum Studio 52 der CBS. Er gab sich selbstbewusst und distanziert.
Das Prinzip der Sendung bestand darin, dass jeder Kandidat ein Wissensgebiet
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