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Endspiel - Genie und Wahnsinn im Leben der Schachlegende Bobby Fischer

Endspiel - Genie und Wahnsinn im Leben der Schachlegende Bobby Fischer

Titel: Endspiel - Genie und Wahnsinn im Leben der Schachlegende Bobby Fischer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Brady
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intelligente Frau ist, die seit Jahren mit Kommunisten und Personen mit kommunistischen Neigungen in Verbindung gebracht wird. Vom Charakter scheint sie bereit, den Russen aus ideologischen Motiven zu helfen. Angesichts obiger Umstände und ihrer kürzlich erfolgten Kontaktaufnahme mit einem Offiziellen der Sowjetbotschaft wird angeregt, weitere Ermittlungen durchzuführen. Es muss festgestellt werden, ob die betreffende Person in Handlungen verstrickt war oder ist, die den Inte­ressen der Vereinigten Staaten zuwiderlaufen. Die Ermittlung gegen Fischer darf sich nicht auf das Sammeln weiterer Informationen bezüglich ihres kürzlich erfolgten Kontakts zu XXXXXXX beschränken. Angeregt wird eine gründliche Untersuchung, welcher Art ihre aktuellen Umtriebe sind und mit wem sie sich umgibt.
    Das Telefon der Familie Fischer wurde angezapft. Undercover-Agenten gingen durch Joan Fischers Schülerakte am Brooklyn College. Regina wurde überwacht. Ihre Schwesternkolleginnen und Nachbarn wurden befragt. Ihre Akten an Highschool und Uni wurden durchgesehen, ihre ehemaligen Lehrer und Direktoren befragt. Selbst Reginas Stiefmutter, die zweite Frau Jacob Wenders, geriet ins Fadenkreuz. Insgesamt dauerten die Ermittlungen gegen sie fast ein halbes Jahrhundert an und kosteten den amerikanischen Steuerzahler Hunderttausende, wenn nicht Millionen Dollar. Heraus kam außer einer 750 Seiten starken Akte gar nichts. Von Spionagetätigkeit keine Spur. »Meine Mutter«, sagte Joan Fischer einmal, »ist eine professionelle Protestiererin.« Schließlich kam auch das FBI zu dem Schluss, dass Regina Fischer keine Bedrohung für die Vereinigten Staaten darstellte.
    Eine ironische Wendung bekam die Kommunistenhatz, als ein Informant dem FBI steckte, dass Regina aus der Kommunistischen Partei »rausgeworfen« worden sei – wobei unklar ist, ob sie denn je Mitglied war. Der Informant jedenfalls behauptete, sie sei von 1949 bis 1951 aktiv gewesen, dann aber wegen »mangelnder Parteitreue« ausgeschlossen worden. Wer weiß, sinnierte ein Ermittler, vielleicht wäre sie ja bereit, aus Rache mit dem FBI zu »kooperieren und Informationen zu Parteiaktivisten oder aktuellen Vorgängen in der Partei beizubringen«. Hätte das FBI diese Idee weiter verfolgt, wäre Regina vielleicht wirklich zur Doppelagentin geworden, zur Spionin für die amerikanische Regierung. Regina liebte nämlich Intrigen, Politik und Reisen, wäre also die ideale Spionin gewesen. Doch niemand versuchte, sie anzuwerben.
    Bobby löcherte seine Mutter, er wolle unbedingt nach Russland reisen, um sich mit den besten Spielern der Welt zu messen. Von seinen kurzen Ausflügen nach Kanada und Kuba einmal abgesehen, war er noch nie im Ausland gewesen. Regina, eine begeisterte, fast schon zwanghafte Reisende, hätte ihrem Sohn den Wunsch gern erfüllt. Doch woher sollte das nötige Geld kommen?
    Dreist wandte Regina sich direkt an Nikita Chruschtschow und bat ihn brieflich, Bobby zum Welt-Jugend-Festival einzuladen. Während er noch auf Antwort wartete, beantragte Bobby bereits einen Pass und ein Visum für die UdSSR. Ein Jahr später bekam er es. Jetzt brauchte er nur noch das nötige Geld für die Reise. Idealerweise hätte Bobby den Sommer gern ganz oder teilweise in Russland verbracht und sich dort auf das Interzonenturnier in Jugoslawien vorbereitet. Agenten und Informanten bespitzelten die Fischers weiterhin, und Regina wurde von der Vorstellung geplagt, Big Brother sehe ihr immer über die Schulter. Ihr ständiges – völlig berechtigtes – Misstrauen färbte stark auf ihre Kinder ab.
    Sie fürchtete, das FBI könnte in ihrer Abwesenheit wiederkommen und Bobby aushorchen. Wenn die Behörden versuchten, ihr etwas anzuhängen, könnte jedes Fitzelchen Information, das er ihnen verriet, gegen Regina verwendet werden. Deshalb drillte sie ihn im Abwimmeln von FBI-Leuten: »Bobby, wenn sie kommen und irgendwas fragen, und sei es nur, wie alt du bist oder wo du in die Schule gehst, antwortest du, ›ich habe nichts zu sagen‹. Verwende genau diese Worte, verstanden? ›Ich habe nichts zu sagen.‹«
    Sie bläute ihm den Satz so lange ein, bis er ihn im Schlaf beherrschte. Rückblickend meinte Bobby, vermutlich habe Regina von anderen Bespitzelungsopfern erfahren, wie man mit dem FBI am besten umging. »Ich finde den Gedanken schrecklich, dass man damals tatsächlich kleine Jungen ausgehorcht hat. Ich war doch nur zehn oder zwölf«, meinte Bobby. Letztlich wurde er nie befragt,

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